Zone One: Roman (German Edition)
einige werdende Mütter kennen, mit denen sie in jenen unruhigen Tagen nach der Geburt eine Clique bildete. Im Lauf der nächsten zehn Jahre bekamen sie viele Babys, und Mim gab einen soliden Bekanntenkreis in ihre sich selbst synchronisierenden Kontaktlisten ein, besonders nachdem die Schule angefangen hatte und sie sich mit den Moms (und ab und zu auch Dads) anfreundete, die sie von den zwei örtlichen Spielplätzen wiedererkannte. »Sind Sie nicht immer zu dem Spielplatz neben dem Café Loulou gegangen?« »Wir haben uns während dieser Hitzewelle kennengelernt – Sie waren so nett, meiner Tochter Eve zwei Wasserbomben zu geben.«
Harry arbeitete im Vertrieb einer Firma, die Infomaterial für Oldies-Sender zusammenstellte. Dieses fetzige Stück führte im Sommer 1964 beispiellose zwölf Wochen lang die Charts an. Jener unverwüstliche Hit-Komponist wurde an diesem Tag im Jahre 1946 geboren. Lokale DJ s verwendeten dergleichen als Treibmittel in ihrem Geplapper, und es war ein robustes Geschäft in einer Zeit industrialisierter Nostalgie, in der jede Generation nacheinander ihre wichtigen Lieblinge zusammentrieb, um sie vor dem Gezwicke von Emporkömmlingen zu schützen. Harry reiste viel, aber ein gewissenhaft eingehaltener Webchat-Zeitplan ließ die vielen Kilometer vergessen, besonders in jener Anfangszeit, als sie noch allein waren. Es war fast so, als säße er mit auf der Couch, wenn sie in ihre winzigen Objektive grimassierten und lachten, fast so, als säße Harry in seinem Laptop gleich neben ihr. Als ihr Frauenarzt ihnen sagte, dass ihr drittes Kind unterwegs sei, wechselten sie zum dritten und letzten Mal in Paterson die Adresse. Ein Neubau. Harry liebte die alten Häuser in der Straße, in der er aufgewachsen war, aber Mim blieb ihr Reiz verborgen.
Gladys’ jüngster Sohn Oliver wurde fünf. Miriams Sohn Asher hatte eine Woche zuvor seinen Geburtstag gefeiert. Es war einer jener verzauberten, hyperaktiven Monate, in dem an den Wochenenden ein Geburtstag nach dem anderen stattfand und die Moms (und gelegentlich auch Dads) alle Hände voll zu tun hatten, um ihre Termine zu koordinieren – ihr könnt den Samstag haben, und wir nehmen den Sonntag, und nächstes Jahr tauschen wir –, die sicherheitsüberprüften Spielräume zu reservieren, neue, noch unerforschte Spielräume zu entdecken und ausgiebig darüber nachzugrübeln, was man an Klebrigem, aus Plastik Bestehendem oder Karieserzeugendem in die Schlünde der durchsichtigen Tüten für die Gäste stopfen sollte. In diesen Angelegenheiten herrschte gutmütige Konkurrenz. Vielleicht von diesem Spiel erschöpft, besann sich Gladys auf die alte Schule und feierte Olivers Party zu Hause. Von einer Website für Eltern, von der ihrer Meinung nach noch niemand anders gehört hatte, lud sie die neuesten Gesellschaftsspiele und Tipps herunter. Bis zur Party würde endlich auch der Pool fertig sein, und wenn das Wetter mitspielte, würde es eine großartige Einweihungsfeier geben.
Der Pool wurde nicht fertig. Gladys erzählte Mim, Lamont habe endgültig die Geduld verloren und wolle dem Bauunternehmer kündigen, aber alle anderen seien ausgebucht, sie hätten sich erkundigt. Der Hintergarten sei eine zerklüftete Wüste, und sie würden aus Haftungsgründen im Haus bleiben müssen. Und zu allem Überfluss, sagte Gladys zu ihr, liege Lamont mit Grippe im Bett. Ein Aspekt des Nachmittags jedoch blieb unbeeinträchtigt. Es war eine Party, bei der man seine Kinder ablieferte, jene Zweistunden-Oase im Kalender geplagter Eltern, Ausgang in eine Welt der Mani- und Pediküren, ein gestohlenes Nickerchen, ein, zwei Gläser anständigen Rosé. Mim lieferte ihre Kinder dort ab. Sie hatten Freunde in ihrem Alter, kannten einander schon seit ihrer Geburt. Asher, Jackson und die kleine Eve hatten nicht einmal ein Auf Wiedersehen übrig, sondern trabten in das Spielzimmer, wo schon die anderen Kinder herumtobten. »Viel Glück«, sagte Mim, während Gladys wegen der Klimaanlage rasch die Tür schloss.
Als sie anderthalb Stunden später zurückkam – sie hatte beschlossen, ihr Arbeitszimmer aufzuräumen, stattdessen aber Kreuzworträtsel gelöst –, sah sie den Krankenwagen vor dem Haus, beruhigte sich jedoch sofort: Gladys hätte sie angerufen, wenn es um eines ihrer Kinder gegangen wäre. Dann drängten die Streifenwagen sie im Vorbeisausen von der Straße, fuhren praktisch auf den Rasen ihrer Freundin und in ihre geliebten Hortensien, und Mim dachte: Vielleicht hat
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