Zopfi, Emil
Kommunisten?»
«So was in der Art.»
«Kommunismus ist Scheisse», rief ein Junger mit schulterlangen Haaren.
Robert stand auf, nahm seine Jacke von der Stuhllehne. «Danke fürs Essen.»
Im Zimmer setzte er sich aufs Sofa, zog den Zettel mit Hermanns Telefonnummer hervor.
«Amberg. Falls Sie mir was verkaufen wollen, ich brauche nichts.»
«Spassvogel.»
«Ah, Robert. Alter Kumpel. Wir müssen uns treffen. Bist du morgen noch im Land?»
«Worum gehts?»
«Kann ich jetzt nicht sagen. Feind hört mit!»
«Dann also. War nett, dich wieder mal zu sehen. Ich fliege am Freitag.»
«Du bist also morgen noch da. Ich ruf dich an.»
«Gehts um Martin?»
«Du wirst sehen.»
«Ein Rätsel also.»
«Die Welt ist voller Rätsel, Mann.»
Robert hängte auf. Er legte sich hin, zog die Decke über sich. Er wusste, worauf Hermann anspielte. Sie wollten über Martin Kunz sprechen, vielleicht etwas unternehmen. Sie wollten die Zeit zurückdrehen. Er wusste nicht, ob er sich darauf einlassen sollte. Sein Kopf war schwer und schmerzte. Er schloss die Augen, sah eine Szene vor sich. Thanksgiving, kurz bevor sein Schwiegervater gestorben war. Sie hatten den Truthahn verspeist, viel getrunken. Marilyn und Dora waren in der Küche mit dem Dessert beschäftigt. Steven hatte Cognac nachgeschenkt, das Glas gehoben, hatte sich zu ihm gebeugt. Ganz nah, sodass er seinen schlechten Atem roch. Ich muss dir mal was sagen, Rob, ganz im Vertrauen. Seine Augen hatten plötzlich einen seltsamen Ausdruck angenommen, etwas Abgründiges, das er an dem gemütlichen alten Herrn noch nie beobachtet hatte. Ich weiss alles von dir, hatte er gemurmelt.
Robert war perplex gewesen. Hatte nur hervorgebracht: Was? Was weisst du?
Alles. Alles. Glaub mir. Er hatte den Finger auf die Lippen gelegt.
Ob er seine Affären meinte? Oder seine Vergangenheit?
Der Alte wog seinen Cognacschwenker in der Hand, die Brauen hochgezogen. Ich bin nicht so, wie du meinst, Rob, das wollte ich dir sagen. Dann hatte er die Stimme gehoben: Wo bleibt das Dessert? Wir sind am Verhungern.
Es klopfte, Arianes Gesicht tauchte im Türspalt auf.
«Brauchst du noch was?»
«Nein, alles bestens. Danke fürs Essen. Ich bin einfach mü de.»
«Darf ich kurz reinkommen?»
«Aber sicher.»
Sie setzte sich auf die Sofakante, schien nach Worten zu suchen. Er griff nach ihrer Hand, hielt sie fest. Sie liess es geschehen. Eine Weile sass sie schweigend, und er dachte, eigentlich müsste ich sie jetzt zu mir ziehen, aber da stand die Tür halb offen. Stimmen drangen aus dem Korridor herein, jemand ging vorbei, die Bodenbretter knarrten. Er war zu müde, zu alt für eine Affäre. Er war nicht Max Frisch und das war nicht Montauk.
Ariane küsste ihn flüchtig auf die Wange. «Gute Nacht. Du hast ja meine Nummer, wenn was ist.»
Sie zog die Tür hinter sich zu. Er hörte, wie sie durch den Korridor ging, nochmals stehen blieb, dann die Treppe hinabstieg zur Haustür.
Pippo zündete die Gaslampe an, ihr grelles Licht warf Schatten auf die Wand des Gartenhauses. Er zog die Bananenschachtel hervor, griff unter die Mappen mit den Zeitungsausschnitten. Die Pistole war noch da, in einem Plastiksack und eingeschlagen in einen fettigen Lappen, dazu ein Behälter, rund wie eine Bierdose. Taschenmunition der Schweizer Armee. Es war seine persönliche Waffe gewesen, die er wie jeder Schweizer Soldat zu Hause aufbewahrt hatte. Die Armee sollte bei einem Angriff sofort bereit sein. Bürger in Uniform würden sich den einmarschierenden Russen entgegenwerfen, so die Ideologie, mit Sturmgewehr und Pistole gegen Panzer, Kalaschnikows und Stalinorgeln. Man glaubte dran und verdrängte, dass mit den Waffen im Haus mehr Ehefrauen und Kinder oder Nebenbuhler ermordet wurden, als die Armee in ihrer ganzen Geschichte je Feinde töten würde. Als guter Schütze, eingeteilt bei den Waffenmechanikern, hatte Pippo nach Beendigung der Dienstpflicht seine Pistole behalten können. Die Munition habe er verloren, hatte er gemeldet.
Er legte die Pistole auf den Tisch, faltete den Lappen auseinander, zog den Verschluss nach hinten, bis er einrastete. Eine schöne, schwarz glänzende SIG , neun Millimeter, Magazin für acht Schuss. Sie war nicht geladen. Er zerlegte sie, hob den Lauf mit zwei Fingern ins Licht. Die spiralförmigen Züge glänzten. Gut eingefettet, hatte er noch keinen Rost angesetzt in all den Jahren im feuchten Gartenhaus.
Es klopfte. Er warf den Lappen über die zerlegte Pistole, ging zur
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