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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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ältesten im Quartier.»
    «Das war einmal. Der Stadtrat hat den Entwicklungsplan revidiert.»
    «Die Baukommission sei sich aber noch nicht einig, habe ich gehört.»
    «Da hat sich nun einiges geändert.»
    Martin, schoss Hermann durch den Kopf. Martin musste sterben. Damit ich Millionär werde und Aktionär und Regisseur und was weiss ich.
    «Martin Kunz wurde aus dem Weg geräumt, wenn Sie das meinen.»
    Die beiden sahen sich an, schwiegen betreten.
    «Martin war mein Freund.»
    «Herr Amberg», sagte der mit dem Gel in den Haaren schliesslich. «Überlegen Sie sich die Sache doch in Ruhe. Wir lassen Ihnen die Pläne da.»
    Die Männer erhoben sich. «Auf Wiedersehen, Herr Amberg.»
    «Adieu!», murmelte Hermann.
    Er trat ans Fenster und beobachtete, wie die beiden die Strasse überquerten, auf der andern Seite stehen blieben und zurückschauten. Sie zeigten auf sein Haus und deuteten mit Gesten an, wie der neue Kubus aussehen könnte. Als gehöre ihnen das Grundstück schon.

    Robert sass auf dem durchhängenden Sofa, auf dem er die Nacht verbracht hatte. Ariane hatte ihn eingeladen, weiterhin im besetzten Haus zu wohnen statt in ein Hotel zu ziehen. Er schaltete sein Smartphone ein, es meldete mehrere Anrufe in Abwesenheit. Marilyn. Er überlegte sich, wie spät es wohl sei in Iowa City. Kurz vor Mittag wohl. Wahrscheinlich war sie bei ihrer Mutter im Senior Center, wo die alte Dame residierte, schon über neunzig und noch fit. Robert mochte seine Schwiegermutter, die Tochter von Einwanderern aus Sachsen sprach mit ihm gerne Deutsch. Den alten Herrn hatte sie mit ihrer Autorität unter dem Pantoffel gehalten. Steven scherzte oft in Gesellschaft, wenn Doras Eltern nicht ausgewandert wären, hätte Deutschland einen weiblichen Hitler bekommen.
    Es klopfte an die Tür, Ariane sah herein. «Möchtest du was essen?»
    «Ich will euch nicht auf den Wecker fallen, ich kann ins Restaurant.»
    «Zier dich nicht, in einer Viertelstunde gibts Spaghetti.»
    «Kann ich vielleicht duschen?»
    «Kein Problem. Warmes Wasser können wir leider nicht bieten.»
    Sie zeigte ihm das Bad. Lavabo, Simse und Tablare waren überstellt mit Tuben und Fläschchen, Rasierapparaten, Kämmen und Bürsten. An Nägeln und über Stangen hingen Badetücher und Waschlappen. In der Wanne staute sich das Wasser. Robert stocherte mit dem Stiel einer Zahnbürste im Abfluss, zog einen verschlammten Haarpfropfen heraus. Er legte ihn auf den Rand der Wanne, da er keinen Abfalleimer fand. Das kalte Wasser liess ihn erschauern, doch erfrischte es. Mit einem der herumhängenden feuchten Frottétücher rieb er sich trocken, so gut es ging, schlüpfte in seine Kleider.
    Er hätte ein Hotel beziehen können, warm duschen, sich frische Wäsche besorgen, gediegen speisen. Er fragte sich, warum er das nicht tat, sondern eine Besenkammer vorzog, als sei er auf der Flucht und müsse sich verstecken. Er war nicht zum Symposium erschienen, hatte sich auch nicht abgemeldet. Es war denkbar, dass man nach ihm suchte. Vielleicht hatte das Tagungsbüro Marilyn angerufen, und sie hatte das Konsulat der USA und die Polizei oder wen immer mobilisiert. Zuzutrauen war es ihr, sie war ängstlich, misstrauisch und neigte zu hysterischer Panik.
    Aus der Küche drang das Klappern von Geschirr, ein Duft nach gedämpften Zwiebeln stieg Robert in die Nase. Er ging zurück in seine Kammer, schloss die Tür und rief Marilyn an. Sie meldete sich sogleich, ihre Stimme klang ruhig.
    «Honey …» Wie er dieses Wort hasste. «Honey, wo steckst du? Ich hab hundertmal versucht anzurufen.»
    «Sorry. Der Vortrag. Ich vergass, danach mein Mobile einzuschalten.»
    «Du bist so vergesslich geworden. Wie ist es denn gelaufen?»
    «Bestens.» Er machte eine Pause. «Viel Applaus, gute Kontakte.»
    «Wie mich das freut für dich, Honey. Endlich wirst du auch in deiner Heimat anerkannt. Das muss ich gleich Mom erzählen. Oder willst du selber mit ihr sprechen? Sie sitzt da neben mir im Java House bei Kaffee und Kuchen.»
    Sie schwatzte ohne Pause, wusste also von nichts. Man hatte offenbar noch nicht nach ihm gesucht. Sein Vortrag war erst auf den kommenden Morgen angesetzt.
    «Grüss Dora von mir.»
    Robert hörte, wie seine Schwiegermutter etwas sagte, vernahm die Geräusche des Cafés im Zentrum der Stadt. Oft hatte er da gesessen zwischen Vorlesungen, den Studentinnen zugeschaut, die an den schmalen Tischen sassen, Bücher oder Laptops vor sich. Es waren die melancholischen Stunden, in denen er

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