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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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Albisrieden. Dort war er aufgewachsen, in der Nähe des Freibads Letzigraben. Architekt Max Frisch hatte es entworfen, den Bau geleitet. Das wichtigste Werk des Meisters, sagte Robert gelegentlich. Hat mehr Menschen glücklich gemacht als all seine Bücher.
    Unzählige Stunden sass Robert auf der Terrasse des Pavillons, eine Tasse Kaffee vor sich, vertieft in Max Frischs Werke. Den «Stiller», den «Gantenbein», den «Homo Faber». Die besondere Aura des Ortes hatte eine fast spirituelle Verbindung zu dem Autor geschaffen, den er verehrte. Literarisch, politisch. Die Einladung zum Vortrag war überraschend gekommen, man wollte wohl einen Amerikaner dabeihaben. Eigentlich hatte er nur aus Eitelkeit zugesagt. Als Beweis, dass er noch nicht ganz auf den wissenschaftlichen Schrotthaufen gehörte.
    Der nächste Dreier hielt an. Robert musste sich ein Hotel suchen, dann nochmals anrufen, alles klären. Marilyns Weinkrämpfe dauerten in der Regel nicht lange. Er sah sie vor sich, wie sie auf dem Sofa fläzte, mit einem Taschentuch im Gesicht und die Nase putzte, dann zur Hausbar ging, einen Whisky kippte, noch einen. Ein paar Likörpralinen dazu verschlang. Dann ihre Mutter anrief, sich im Java House verabredete. Wie geht es Rob in der Schweiz? Oh, sein Vortrag war ein Riesenerfolg. Das freut mich für Rob, er hat die Anerkennung mehr als verdient, der Gute. Dann stopfte sie sich mit Kuchen und Sahne voll und wurde noch dicker.
    Auf einer Holzwand vor einer Baustelle bemerkte Robert einen gesprayten Schriftzug in ungelenken Buchstaben. «Was für ein schöner Augenblick, wenn ein Sturm gegen die Ordnung losbricht.» Es war, als hätte ihm Sara eine Botschaft geschickt aus dem Jenseits oder wo immer ihre Seele dahinwanderte.

    Pippo hörte seinen Namen rufen. Im Nachbargarten stand Greta am Zaun, ein paar Äpfel in einem Körbchen. «Magst du?»
    Er schüttelte den Kopf. «Danke, die Säure ist nicht gut für meine Gelenke.»
    «Meine Boskoop sind doch süss. Alice liebte sie so für Apfelwähe.»
    «Ja, ich weiss. Ich backe nicht.»
    Greta liess das Körbchen sinken, trat dicht ans Gitter. «Könntest du mir einen Gefallen tun, Pius?»
    «Klaro.» Er zündete sich eine Parisienne an, sah, dass der Katzenteller leer war. Rosalba war dagewesen in der Nacht. Oder dann waren es Ratten gewesen. Er füllte Katzenfutter nach. Ging dann hinüber in den Nachbargarten. Sein Nachbar war ein pingeliger Bünzli gewesen. Die Beete hatte er mit Richtschnur und Metermass angelegt, die Wege mit Platten ausgelegt, den Rasen millimeterkurz gemäht. Angestellter der Stadt wie Pippo, Schalterbeamter der Einwohnerkontrolle. Er war schon gegen fünfzig, als sich eine Wirtstochter aus dem Schwarzwald am Schalter meldete. Die diplomierte Hausbeamtin trat eine Stelle als Leiterin eines privaten Altersheims am Zürichberg an. Bald waren die beiden ein Paar. Zwei Jahre nach der Pensionierung war er an einem Grillabend mit der Bratwurst in der Hand umgekippt. In der Nacht war seine Seele friedlich von dannen geschwebt, gewiss in den Himmel, den er und Greta in ihrer Freikirche so innig angebetet hatten.
    Sie wartete vor dem Gartenhaus, der Miniaturausgabe einer Schwarzwälder Mühle. Selbst das Mühlrad fehlte nicht samt Pumpe, die das Wasser umwälzte. Ein Stück Heimat, hatte Greta immer wieder betont in ihrem schwäbischen Akzent. Und dann das Lied gesummt: Es steht eine Mühle im Schwarzwäldertal, die klappert so leis vor sich hin …
    Greta fasste Pippo am Ellbogen. «Danke, dass du dir Zeit nimmst.»
    «Für dich doch immer», rutschte ihm heraus. Er bereute es gleich wieder. Nun hängte sie sich bei ihm ein. «Kaffee?»
    «Erst die Arbeit.»
    «Ach, das hat ja Zeit. Blätter im Dachkännel. Von der Birke da drüben.» Sie wies mit dem Daumen zum Nachbargarten, über dem eine italienische Fahne schlaff am Mast hing. «Ich komm da nicht mehr hoch.»
    «Du, als Schwarzwaldmädel. Bist doch sicher auf Bäume geklettert als Kind.»
    «Als Kind, ja. Aber jetzt …» Sie tätschelte sich den Hintern.
    Pippo holte die Leiter, die an zwei Haken auf der Seite der Schwarzwaldmühle hing, stellte sie an und stieg hinauf. Mit blossen Händen schob er die Blätter im Dachkännel zusammen und warf sie auf den Rasen. Seit dem Tod des pingeligen Schalterbeamten war er nicht mehr so perfekt gestutzt.
    «Was ist mit dem Wasserrad?», fragte er, als er in den warmen Kaffeeduft des Gartenhauses trat.
    «Die Pumpe ist kaputt», seufzte sie. «Seit der Ernst unterm

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