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Zopfi, Emil

Zopfi, Emil

Titel: Zopfi, Emil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Spitzeltango
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Hermanns Stimme aus dem Hörer krächzen von Skandal, rechten Schlägerbanden, mit der Polizei und den Medien unter einer Decke.
    Er packte den Hörer, legte auf. «Fahr zur Hölle!»
    Dann ging er zurück zum Klo und spülte.

    Hermann sass beim zweiten Frühstück, als es klingelte. Er öffnete die Tür einen Spalt bis zur Kette und hoffte, Carmen stehe im Treppenhaus, mit schwarzen Haaren bis auf die Schultern und dem Lächeln der Mona Lisa. Er löste die Kette, erkannte im trüben Licht Irina, die das Etablissement in den unteren Stockwerken führte. «Ist was?»
    «Kann reinkommen? Bist auf?»
    Eine Parfümwolke schlug ihm entgegen, Irina hielt ihm die Wange hin. Ihre Kleider rochen nach den Zigarillos, die sie von früh bis spät paffte. Sie war blondiert wie die meisten Damen ihres Salons, nur war sie erheblich fülliger. Es gab bestimmt Kunden, die solches Polster liebten. Sie behauptete zwar, sie organisiere den Laden nur, sie schaffe nicht an. «Manatschement» war ihr Lieblingswort.
    «Komm rein. Kaffee?»
    Sie setzte sich an den schmalen Tisch in der Küche, schlug die Beine übereinander, klemmte einen Glimmstengel zwischen die glossierten Lippen, wühlte im Täschchen nach dem Feuerzeug.
    «Hier nicht rauchen», sagte Hermann. «Carmen hat das nicht gern. Die Decke ist nicht dicht, der Rauch dringt nach oben.»
    «Carmen zurück?»
    «Ich denke bald. Wir machen doch einen Film.»
    Hermann mahlte Kaffee, stopfte den Espressokocher, setzte ihn aufs Gas. «Bringst du die Miete?»
    «Später, später … Weisst du, viel Konkurrenz, zu viele Salons in der Stadt. Ich bezahle Mädchen gut, verdiene wenig.»
    Sie nestelte in ihrer Handtasche und riss einen Nikotinkaugummi aus der Packung. «Gestern neue Mädchen angekommen. Aus Ungarn. Willst du kennenlernen?»
    «Ich steh nicht auf blond, das weisst du doch.»
    «Ein Mädchen blond, ein Mädchen schwarz.»
    Der Kaffee blubberte im Kocher, Hermann schenkte ein. «Wie siehst du das mit der Miete? Ich bin blank, musst du wissen.»
    Sie hielt die Tasse mit zwei Fingern. «Kam Frau vom Amt, macht Stress. Hygiene und so. Du neues Bad und wc einbauen, sonst Bewilligung weg.»
    «Schon gut. Ich ruf mal an aufs Amt.»
    Irinas Stimme hob sich, ihre Hand mit der Espressotasse zitterte. Kaffee fleckte auf ihre Bluse über dem mächtigen Busen. «Frau sagt, sonst Polizei Salon schliessen.»
    Hermann setzte sich, schnitt sich ein Stück Brot ab, strich Butter drauf und Honig. Der Honig stammte von einem Biobauern aus dem Knonauer Amt, einem alten Genossen. Er liess Irina keifen, vernahm mehrmals ihr Lieblingswort: «Manatschment». Sie habe einen Hochschulabschuss in Tourismus gemacht in Minsk, Weissrussland. Tatsächlich war sie so was wie eine Tourismusfachfrau. Ihr Laden förderte Tourismus und Verkehr, die Branche leistete einen soliden Beitrag zu Zürichs Sozialprodukt und Steuersubstrat.
    «Also, du telefonieren Amt und sprechen mit Frau dort.»
    «Ja, ja, doch, ich kenne die Dame.» Hermann kaute bedächtig sein Honigbrot. «Und du denkst an die Miete, gell.»
    Er leckte sich die Schnauzhaare, die ihm über die Mundwinkel hingen. Wenn das Gesundheitsamt neue Sanitäreinrichtungen verlangte, war Schluss mit dem Salon. Eine solche Investition konnte er sich nicht leisten. Die Grundlage seiner Existenz war in Gefahr. Wohnungen konnte er beim Zustand des Hauses höchstens noch an eine vergammelte WG vermieten, aber dann hatte er nur Stress. Der Salon war ein ruhiges Gewerbe. Keine Bank würde ihm die Hypothek aufstocken. Dabei hatte er das Haus von seinem Vater, dem redlichen Schuster Amberg, schuldenfrei geerbt. Mit Hypotheken hatte er seine Versuche als Schriftsteller und Filmemacher und die politische Arbeit finanziert. Doch weder der Kommunismus noch der Kapitalismus noch die Kultur hatten ihm Glück gebracht. Am Ende hatte er nur noch für die Grünen gestimmt, für Martin Kunz, der von schnellen Autos aufs Velo umgestiegen war und bei der Ökopartei Karriere machte. Der arme Martin fiel ihm wieder ein, in der Limmat ersoffen, der alte Genosse.
    Irina beugte sich vor, Hermanns Blick fiel auf den Ansatz ihrer schweren Brüste. Sie trug einen dieser modischen kurzen Rüschenröcke mit freizügigem Oberteil.
    «Du, ich muss an eine Abdankung. Können wir später weiterreden?»
    «Was danken?»
    «Trauerfeier. Genosse gestorben.»
    «Genosse? Du Kommunist?»
    «Es war einmal.»
    Irina sah ihn mit glänzenden Augen an. Ihr Rock war über die Orangenhaut ihrer

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