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Zores

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Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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Seereise hieß im Staate Schuschniggs ein Ruderboot am Erlaufsee! Bronstein unterdrückte einen Fluch. „Wurscht“, sagte er laut, „was hast du über den Frank herausgefunden?“
    „Du, der hat eine bizarre G’schicht’ hinter sich“, begann Cerny. „Geboren 1881 in Nachod bei Königgrätz. 1900 bis 1903 in der kaiserlichen Armee, danach Studium der Juristerei in Wien. 1908 Gerichtsjahr, danach als Anwalt eingetragen. Eigene Kanzlei auf der Alser Straße, spezialisiert auf Immobilien und Wirtschaftsangelegenheiten. 1911 erstmals politisch aktenkundig geworden als Unterstützer der böhmischen Nationalsozialisten. 1920 Kandidat der GDVP für den Nationalrat, 1923 Kandidat für dieselbe Partei bei denGemeinderatswahlen. Beide Male erfolglos. 1927 kandidierte er wie Riehl und Suchy bei den Christlichsozialen auf der Einheitsliste, kriegt aber wieder kein Mandat. Ein Jahr später steht er selbst vor Gericht, weil er angeblich seine Frau spitalsreif geprügelt hat. Die hat ihn bei dieser Gelegenheit auch verlassen, allerdings kam vor Gericht nichts heraus. Trotzdem ist interessant, dass Frank wenig später seine Anwaltslizenz verlor. Wovon er seitdem lebte, ist unbekannt. 1933 und 1936 gab es zweimal Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachtes der illegalen Betätigung für die NSDAP, aber beide Male wurden diese eingestellt.“
    „Und was, bitte schön, ist daran bizarr? Solche Lebensläufe haben wir zu Hunderten in diesem Land“, merkte Bronstein bitter an.
    „Ich bitt dich, es ist doch offenkundig, dass es mit diesem Kerl ständig bergab gegangen ist“, hielt Cerny dem entgegen.
    „Na eben, sag ich ja. Das ist doch geradezu symptomatisch für dieses Land.“
    Cerny ging nicht näher auf diesen resignativen Einwurf ein. „Ich hab auch gleich mit seiner Bank telefoniert.“ Dabei hielt er das Sparbuch hoch, das er in Franks Wohnung gefunden hatte, „der Mann war vollkommen Strand. Der hat keine hundert Schilling g’habt. Und es schaut nicht so aus, als hätte er anderswo noch über irgendwelche Geldquellen verfügt.“
    „Bleibt der Hausbesitz“, erinnerte Bronstein.
    „Ja. Dem müssen wir weiter nachgehen.“
    „Also, ich glaub nicht, dass die ganze G’schicht’ irgendwie mit der Knabenliebe vom Suchy was zu tun hat. Ich bin mir mittlerweile sicher, das ist eine politische G’schicht’. Da räumt irgendwer groß auf. Was ja auch kein Wunder wär. So etwas passiert immer im Umfeld von Revolutionen.“
    Cerny riskierte eine Augenbraue. Bronstein beschwichtigte ihn: „Du weißt schon, wie ich’s meine.“
    „Du denkst an eine naziinterne Vendetta?“
    „Genau. Zwar nicht mehr unbedingt daran, dass der Seyß-Inquart oder der Glaise-Horstenau einen Rivalen um die künftige Macht im Staate liquidieren ließen, aber daran, dass hier lästige Mitwisser beseitigt werden. Denn sonst, seien wir ehrlich, hätte der Frank nicht auch dran glauben müssen.“
    „Es sei denn, die haben zuerst einen Rivalen beiseite geräumt, und dann einen Mitwisser, der von dieser Tat Wind bekommen hat.“
    Bronstein pfiff leise vor sich hin. Dann sah er Cerny direkt an: „So könnt’s natürlich auch g’wesen sein. Aber das ändert am Bild nicht wirklich etwas.“
    „Aber was nützt uns diese Erkenntnis? Wie ich schon in der Früh gesagt hab, wir können nicht einfach zum Seyß-Inquart gehen und ihn zu der Sache befragen. Schon gar nicht jetzt, und schon gar nicht du.“
    Die letzten Worte hatte Cerny nur noch sehr leise ausgesprochen, Bronstein fühlte sich dennoch getroffen: „Was soll das heißen: schon gar nicht du? Sind wir jetzt die Polizei, oder sind wir sie nicht?“ Aufbrausend schlug er mit der flachen Hand auf den Schreibtisch.
    „Wir sind die Polizei“, bestätigte Cerny sachlich, „und der Seyß-Inquart ist als Innenminister unser oberster Chef. Und sei ehrlich, David, einem Innenminister wärst mit dem Stellwagen nicht einmal ins G’sicht g’fahren, wo er noch Eldersch g’heißen hat.“
    Bronstein biss sich auf die Lippen. Abermals hatte Cerny recht. „Na, und was machen wir jetzt?“ Ihm war die Ratlosigkeit deutlich ins Gesicht geschrieben.
    Cerny blickte auf die Uhr. „Jetzt machen wir einmal Feierabend. Schau’n wir, ob uns über Nacht eine Erleuchtung kommt, ha?“
    „Hast recht. Ist eh schon fast sechs. Gemma heim. Morgen ist auch noch ein Tag.“
    Die beiden erhoben sich gleichzeitig von ihren Stühlen, griffen nach ihren Mänteln und bewegten sich auf die Tür zu. Sie gingen die

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