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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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zurückgetreten, und die Volksabstimmung ist auch abg’sagt. Es heißt, grad jetzt wird der Seyß-Inquart neuer Bundeskanzler …“
    Bronstein taumelte zurück, als wäre er erneut von einem Fausthieb getroffen worden. „Sie machen einen bösen Scherz, ned wahr?“
    „Aber wenn ich’s Ihnen doch sag! Das haben s’ eben in der Zentrale durchgegeben, als ich meinen Dienst angetreten hab.“
    „Und wann war das?“, fragte Bronstein immer noch ungläubig.
    „Vor einer halben Stund! Aber sollt ma uns jetzt ned um den da kümmern? Da hat vielleicht noch eine Chance.“
    Bronstein schüttelte sich. „Ja“, sagte er dann, „haben S’ eh recht. Cerny …“
    Er drehte sich um, konnte aber seinen Kollegen nicht finden. Als er sich schon Sorgen machte, tauchte die Gestalt des Oberstleutnants in der Tür eine Lokals auf. Eilig blickte er nach links und rechts und trat dann wieder auf die Unfallstelle zu. „Ich hab telefonisch die Rettung alarmiert. Die schicken einen Wagen aus dem AKH. Der sollt in ein paar Minuten da sein.“
    „Sollt ma ned schau’n, dass der arme Kerl ein wenig besser liegt?“, fragte der Straßenbahner.
    „Nein, nein. Bloß nix verändern“, rief Cerny, „in so einer Lage kann das schwerwiegende Folgen haben oder überhaupt tödlich sein.“
    „Ja, aber wenn wir nix tun, stirbt er vielleicht auch.“
    „Glauben S’ mir, so etwas soll man immer den Experten überlassen.“
    „Na servas G’schäft!“ Plötzlich war der Schaffner an die drei Männer herangetreten. „Drinnen hamma drei Verletzte. Anaufplatzten Plutzer, a verrenkte Schulter, und bei einer schaut’s aus, als hätt sie sich die Hand brochen. … Na bumsti Nazi, der schaut aber aa ned guat aus.“ Jetzt erst fiel dem Schaffner der eigentliche Grund für den Unfall auf. „Des wird wos werden in der Zentrale. Na habe d’ Ehre. Einen Kaszettel nach dem andern werma ausfüllen müssen wegen dem Schaa … wegen dera Malaise da.“
    Endlich bog der Rettungswagen, von der Zweierlinie kommend, in die Josefstädter Straße ein. Er überfuhr die Lange Gasse und bremste dann abrupt bei der Unfallstelle. Sofort sprangen die beiden Sanitäter aus ihrem Auto und besahen sich den Verletzten.
    „Tatsächlich“, konstatierte der eine, „der lebt noch.“
    „Aber wie sollen wir ihn da rauskriegen?“, ergänzte der andere. „Da brauchst einen Hebekran. Sonst kriegst den nur in zwei Teilen da raus.“
    Der Straßenbahnfahrer lehnte sich aschfahl an seine Garnitur.
    „Cerny!“, zischte derweil Bronstein, „ich muss da weg! Das wird mir alles zu viel.“
    Für einen kurzen Augenblick glaubte Cerny, dem Obersten sei die bevorstehende komplizierte Rettungsaktion auf den Magen geschlagen, doch dann wurde ihm bewusst, dieser musste etwas anderes meinen. Erwartungsvoll sah er Bronstein an. Dieser beugte sich zu ihm hinüber und flüsterte. „Angeblich sind die Nazis schon an der Macht. Ich muss unbedingt sofort ins Bundeskanzleramt. Kannst du da allein …“
    „Sicher, Oberst. Aber pass um Himmels willen auf. Wenn diese Information stimmt, dann bist petschiert. Und zwar ordentlich!“
    „Keine Sorge“, bemühte sich Bronstein trotz seiner Lage um demonstrativ zur Schau getragenen Optimismus, „wenn michwer fragt, dann bin ich einfach Polizeioberst Trotzki.“ Er zwinkerte, doch Cerny schüttelte nur den Kopf: „Du rennst in dein Verderben.“
    „Genau das will ich ja verhindern. Und darum treffen wir uns später im Präsidium. Ich mach dann mit dir den Bericht.“
    Bronstein winkte noch andeutungsweise und entfernte sich dann von der Unfallstelle. Zehn Minuten später passierte er das verwaiste Parlamentsgebäude und umrundete den Volksgarten, von wo aus er bereits das Bundeskanzleramt sehen konnte.
    Er hatte mit Mannschaften gerechnet, die vor dem Gebäude kampierten. Mit Wachposten sonder Zahl, mit Zeitungsleuten, Adabeis und allerlei Volk, doch überraschenderweise sah das politische Zentrum Österreichs aus wie an einem heißen Sommertag zur Mittagszeit. Nicht einmal der übliche Stehposten war zu sehen. Mit wachsender Verwunderung näherte er sich dem Eingang und lugte dann vorsichtig durch die halboffene Tür. Die Portierloge war gleichfalls leer.
    Das konnte doch alles nicht möglich sein, dachte er sich und trat in den Flur, auf dem er knapp vier Jahre zuvor Zeuge schicksalhafter Ereignisse geworden war. Vom nahe gelegenen Innenhof meinte er ein heiseres Lachen zu hören. Er folgte den Tönen und sah sich plötzlich einem

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