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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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Portiers.
    „Aha. Na, aa wurscht. Jedenfalls haben sich die jetzt in der Hofburg eingraben. Und eine halbe Stunde später kommt der Schuschnigg allein wieder zurück und sagt, einfach so im Vorbeigehen, er ist grad zurückgetreten, der Miklas hat seine De…mission ang’nommen.“
    Der Portier wollte auch wieder einmal zu Wort kommen: „Ja. Wir waren beide ganz baff.“
    Bronstein ließ die Zigarette fallen. Um keinen falschen, also richtigen, Eindruck zu erwecken, trat er sie aus, ganz so, als hätte er sie mit Absicht zu Boden geworfen. Um 16 Uhr also war eine Ära zu Ende gegangen. Da hatte der saubere Herr Anwalt vor zwei Tagen noch lauthals in Innsbruck herumgeschrien und dabei irgendetwas von Rotweißrot bis in den Tod gefaselt, und jetzt palessierte er einfach, still und leise durch die Hintertür. War dem gewissenlosen Kerl vollkommen gleichgültig, was aus Österreich und seinen Bewohnern wurde? Wahrscheinlich, dachte Bronstein bitter, denn wer absichtlich einen Schwerstverletzten hinrichten ließ, den kümmerten dieMenschen einen feuchten Dreck. Bronstein hatte ja nie etwas von dem blasierten Juristen gehalten, doch in diesem Augenblick war er dankbar, dass Schuschnigg nicht vor ihm stand. Er hätte ihn ohne Rücksicht auf allfällige Konsequenzen geohrfeigt!
    „Wurscht“, fuhr der Polizist einstweilen mit seinen Ausführungen fort, „wir haben uns jedenfalls gedacht: Jetzt kommt der Seyß. Aber es hat sich g’spießt.“
    „Aha. Und woran denn?“
    „Der Miklas. Der hat auf einmal glaubt, er muss ein Held sein.“
    Der Portier wedelte eifrig mit der Hand durch die Luft: „Genau. Zehn Jahr hast von dem nix g’hört oder g’seh’n, und auf einmal tut er so, als wär er … als wär er … der Präsident.“
    Unwillkürlich prustete der Polizist los: „Der war gut.“
    Bronstein zeigte, um gut Wetter zu machen, ein Lächeln.
    „Jedenfalls ist dann wieder hübsch ein Zeiterl vergangen, bis der Wagen von der deutschen Botschaft vorg’fahren ist. Ziemlich genau um fünfe hat’s g’heißen, der Seyß ist Bundeskanzler.“
    Bronstein trat langsam einen Schritt zurück, um sich an der Tür anhalten zu können. Er spürte, wie seine Beine unkontrolliert zu zittern begannen, und er hatte das dringende Bedürfnis, sich zu setzen. Ausgerechnet jener Mann, dem er vor einigen Stunden noch die Stirn zu bieten versucht und der ziemlich sicher einen Doppelmord in Auftrag gegeben hatte, war nun Regierungschef. Unglaublich! Damit wurde seine, Bronsteins, Situation absolut unhaltbar. 31 Jahre im Dienste eines Staates, der nun von jemandem regiert wurde, der in ihm nur einen lästigen Parasiten sah. Instinktiv griff Bronstein nach der Weinflasche und tat einen langen, kräftigen Schluck.
    „Hast recht“, gluckste der Polizist, „auf das sollt’ man trinken. … War aber eine Falschmeldung.“
    Bronstein verschluckte sich fast am Wein. Was? Das stimmte doch nicht? Vor 40 Stunden war er gerade noch dem Tod von der Schaufel gesprungen, man durfte ihn doch nicht solchen Aufregungen aussetzen.
    „Jetzt heißt’s, der Schilhawsky wird Kanzler.“
    „Der Generaltruppeninspektor“, erläuterte der Portier wiederum.
    Ein Militär? Vielleicht war der alte Miklas am Ende seiner Tage doch entschlossen, Widerstand zu leisten? Vielleicht war Österreich noch nicht verloren? Der Miklas! Der hatte damals als Einziger für die Beibehaltung der Monarchie und damit gegen die Republik gestimmt, ausgerechnet der sollte nun zum Retter ebendieser Republik werden? Die Geschichte ging wahrlich seltsame Wege.
    „Ist aber noch nicht fix“, fuhr der Portier fort, „angeblich hat er abg’lehnt, der Herr General.“
    Der Polizist lachte: „Na klar, der legt sich nicht mit uns an. Der Seyß wird Kanzler, da fahrt die Eisenbahn drüber. Wenn nicht jetzt, dann morgen. Das Land g’hört jetzt jedenfalls uns. Na, Kamerad, was sagst?“
    Erwartungsvoll blickte der Uniformierte Bronstein an. Der zuckte reflexartig mit den Schultern. „Ich … sag … gar nix. … Zuerst muss man einmal … Gewissheit haben, ned?“
    „Es heißt, der Schuschnigg halt bald eine Rede im Radio.“ Der Portier kratzte sich an der Nase. „So um acht, hat’s g’heißen.“
    Instinktiv blickte Bronstein auf die Uhr. Es war wenige Minuten vor halb acht. „Na, die will ich nicht verpassen“, sagte er schnell. „Feierts noch schön“, rief er über die Schulter, während er bereits wieder auf den Ballhausplatz zustrebte. Die Rufe „So bleib doch

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