Zores
ziemlich angeheiterten Portier und einem leicht schwankenden Polizisten gegenüber, der bereits eine Hakenkreuzbinde am Oberarm trug.
Bronstein zückte seine Kokarde und fragte in barschem Ton: „Was ist hier los?“
Der Polizist schlug die Hacken zusammen und hob den rechten Arm zum Hitlergruß. Dann sagte er, bereits deutlich legerer stehend: „Ah nix, Kollege. Wir feiern nur a bisserl.“
Bronstein beschloss, sich dumm zu stellen: „Ah so? Was denn?“
„Ja, kommst vom Mond oder was?“
„Fast. Aus Irdning. Ich bin grad ankommen, weil ich dem Parteigenossen Seyß-Inquart persönlich Bericht erstatten soll.“
Mit einem solchen Satz, so hoffte Bronstein, würde er ein Vertrauensverhältnis zu einem Kollegen aufbauen können, der bereits offen auf die Nazis setzte.
„Na servas, da hast ja wirklich alles versäumt“, erklärte der und reichte Bronstein unaufgefordert die Weinflasche, die bislang zwischen dem Portier und dem Polizisten gestanden war.
„Und was alles? Bring mich doch auf den neuesten Stand.“ Bronstein fingerte sein Etui aus der Manteltasche und reichte dem Posten eine Zigarette. Auch der Portier durfte sich bedienen. Dann nahm sich Bronstein selbst eine, wandte sich kurz ab, um zu verhindern, dass der Wind das Streichholz ausblies, und sog dann gierig den Rauch ein, während der Polizist zu berichten begann.
„Also i bin ja jetzt schon seit achte da, ned? Ich mein’, da hat heut mein Dienst ang’fangen.“
„Meiner aa“, ergänzte der Portier.
„Z’erst hat sie nix tan. So wie immer halt. Aber um halber zehne kommen die Parteigenossen SeyßInquart und Glaise-Horstenau und geh’n zum Schuschnigg. Sind ned lang blieben. Zehn, fünfzehn Minuten vielleicht. Und ich denk mir noch, na gut, die werden halt irgendetwas Regierungsmäßiges g’macht oder was abgeben haben. Aber kurz nach zehne …“ Der Polizist machte einen Zug von seiner Zigarette und blies dann in Ruhe den Rauch aus. „Kurz nach zehne steht auf einmal ein Kanzlist bei uns. Kasweiß war der.“
„Ja“, stimmte der Portier zu, „weiß wie die Wand.“
„Und der sagt nur: Jetzt haben s’ ihn zum Rücktritt aufg’fordert. Ich frag noch: ,Wer wen?‘ Sagt der: ,Na der Innenministerund sein Spezi den Schuschnigg.‘ Denk ich mir: Na endlich. ,Ja‘, sagt der weiter, ,und die Volksabstimmung wird wahrscheinlich abg’sagt‘. Na bitte, hab ich mir g’sagt: G’wonnen hamma.“
Bronstein fühlte sich wie vom Fieber gepackt. „Und weiter?“, fragte er atemlos.
„Na ja, vorerst nix weiter. Alles ist so weitergangen wie immer. Ich hab dann schon glaubt, i hab des nur geträumt. Der Schuschnigg hat sich oben in seinem Büro einzementiert, und sonst ist keiner kommen oder gangen.“
„Wir haben gemeinsam unser Menage gessen und uns schon g’sagt, das war alles ein falscher Alarm“, mischte sich der Portier wieder ein.
„Na ja, aber um zwei hätt es ja routinemäßig eine Ministerratssitzung geben sollen, ned wahr?! Und kurz nach eins kommt einer von die Büroleut’ zu uns runter und sagt uns: Sitzung abgesagt. Hab ich mir g’sagt: Na, da schau her, vielleicht tut sich ja doch noch was.“
„Und?“
„Hat sich aber nicht. Zumindest ned bis kurz nach zwei. Auf einmal trau ich meinen Augen nicht. Drüben geht das Tor auf, und der Miklas kommt raus. Zu Fuß. Einfach so. Geht da her. Ich mein, seit ich da Dienst tu, war das überhaupt noch nie der Fall.“
„Normalerweise, wenn was ist, dann geht immer der Kanzler zum Präsidenten, ned umgekehrt“, erklärte der Portier.
„Genau. Also auf einmal steht der Miklas da bei mir. Ich salutier. Ich mein, was sollst ja sonst auch machen, ned? Immerhin ist er ja irgendwie doch auch ein Staatsoberhaupt, ned? Na, wurscht. Er nickt nur kurz und geht dann die Stiegen rauf.“
„Da hamma g’wusst, jetzt ist’s ernst. Weil sonst wär so was ned passiert.“
Der Polizist pflichtete dem Portier nickend bei und nutzte die Gelegenheit zu einem weiteren Zug an der Zigarette. „Eine volle Stunde ist der da oben drinnenblieben. Dann sind auf einmal der Schuschnigg und der Miklas an uns vorbeig’rauscht, als wär der Leibhaftige hinter ihnen her. Den Staatssekretär, den Schmidt, den haben s’ im Schlepptau g’habt. Drüben sind derweil zwei Limousinen vorg’fahren. In der einen war der Bürgermeister, den in der anderen hab i ned kennt.“
„Der Ender war des!“
„Wer?“
„Der Ender.“
„Ein ehemaliger Kanzler“, erklärte Bronstein den Einwurf des
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