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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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die ihm über die Stirn rannen.
    Das Zelt stank nach Krankheit und Tod.
    Etwa ein Dutzend Männer lag auf dem Boden. Sie stöhnten und wehrten die Fliegen ab. Einige litten an der Ruhr, andere hatten bei der Flucht aus der Batavia Verletzungen davongetragen oder waren unglücklich aufgeschlagen, als sie in die Boote sprangen.
    Aris Janz hatte sein Bestes versucht, doch ohne Instrumente und Arzneien vermochte er nur wenig auszurichten.
    Jan schlug die Lider auf. »Ich danke Euch«, flüsterte er kaum vernehmlich.
    »Wie arg ist es?«, erkundigte sich Sussie.
    Jan wandte den Kopf ab.
    Sussie hatte die Antwort in seinem Blick erkannt.
    »Wiebe ist auf der Langen Insel im Westen«, erklärte Sussie.
    »Er macht sich Sorgen um Euch.«
    Jan wandte sein Gesicht zu ihr. »Dann müsst Ihr Sussie Fredericks sein«, murmelte er. »Wiebe hat viel von Euch gesprochen.«
    Sussie spürte, dass ihr die Glut in die Wangen schoss. »Von mir?«, fragte sie ungläubig.
    »Wenn Ihr erwachsen wäret, sagte er, würdet Ihr das richtige Mädchen zum Heiraten sein.«
    Sussie zog die Brauen zusammen. »Aber ich bin erwachsen«, betonte sie.
    Ihre Worte erreichten ihn jedoch nicht. Jan Finten begann in der Sprache der Engländer zu reden und wälzte sich unruhig hin und her.
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    Wenn Ihr erwachsen wäret, sagte er, würdet Ihr das richtige Mädchen zum Heiraten sein, wiederholte Sussie bei sich. Sie hatte den Eindruck, als sei sie seit ihrem Aufbruch aus Amsterdam um Jahre gereift. Wie viel erwachsener muss ich denn noch werden? fragte sie sich. Wann wird Wiebe mich denn endlich nehmen?
    Nachdem Judith das Krankenzelt verlassen hatte, machte sie sich auf die Suche nach Conrad van Huyssen. Sie traf ihn trinkend und würfelnd in der Gesellschaft der Jonkers an. Für einen Moment wunderte Judith sich über die nie versiegende Weinquelle, über die die jungen Männer verfügten, doch dann wurde sie von Conrads Anblick abgelenkt.
    Seine Augen blickten glasig und sein Gesicht war rot und verquollen. Als er Judith gewahr wurde, grinste er schräg.
    »Sie kann es nicht erwarten«, murmelte er den anderen zu, die daraufhin lachten und Judith gierig taxierten.
    »Darf ich Euch wohl für einen Moment stören?«, fragte Judith scheu.
    Van Huyssen erhob sich und machte eine Verbeugung.
    »Jederzeit, meine Dame«, erwiderte er.
    »Ich benötige Eure Hilfe.«
    Conrads Grinsen wurde selbstgefällig. »Sie sei Euch gewährt.
    Wonach steht Euch der Sinn? Nahrung, Wasser? Sprecht es aus.
    Ich gebe Euch, was Ihr wollt.«
    »Du hast das Wichtigste vergessen«, kicherte einer der Jonkers.
    »Ich brauche frische Bandagen für die Verletzten«, murmelte Judith.
    Van Huyssen hob die Brauen. »Meine Liebe«, lallte er verwundert, »diese Leute sind so gut wie tot.«
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    Judith senkte die Lider. Wie konnte ich ihn jemals anziehend finden? dachte sie. »Es geht nur um ein paar Fetzen Stoff«, erklärte sie leise.
    Van Huyssen tat, als sei er entrüstet. »Wollt Ihr mich zum Diebstahl anstiften? Soll ich mich etwa an der Fracht vergreifen?«
    Judith überging seinen Spott. »Ja, bitte«, flüsterte sie.
    »Vielleicht ein seidenes Hemd, um Eiterbeulen zu verbinden?«
    Judith schaute ihn hilflos an. »Frau van der Mylen glaubt, dass der Unterkaufmann Kleidung in Hülle und Fülle besitzt.
    Womöglich könnte er etwas Minderwertiges entbehren.«
    »Ihr scheint Euch mit den Frauen gut zu verstehen«, bemerkte van Huyssen. »Selbst mit Sussie Fredericks gebt Ihr Euch ab. Ist sie Euch nicht ein wenig zu gewöhnlich?«
    »Sussie ist ein guter Mensch«, stammelte Judith verwirrt.
    Van Huyssens Brauen wanderten abermals in die Höhe.
    »Bitte«, drängte Judith.
    »Bitte was?«, fragte Conrad und tat einen Schritt vor.
    Judith wich zurück.
    »Na gut«, beschied van Huyssen Judith verdrossen. »Ich will sehen, was sich machen lässt.«
    Dann wandte er sich erneut seinen Kameraden zu.
    »Vielen Bank«, sagte Judith erleichtert, ehe sie zum Krankenzelt zurückeilte.
    Sussie hatte dem Mann, der auf der Batavia die Trompetensignale geblasen hatte, nie besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Bestenfalls war ihr einmal aufgefallen, dass er außergewöhnlich groß war und einen schwarzen Bart trug. Inzwischen hatte sie jedoch entdeckt, dass auf seinem Unterarm eine nackte, an eine Palme gefesselte Frau
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    eintätowiert war, und außerdem hatte sie bemerkt, dass er sie mit Blicken verschlang.
    Wenn doch Wiebe nur bald wieder käme! dachte Sussie stets, wenn die Augen des

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