Zorn der Meere
wären.
Stattdessen hatten sie ihnen Zeit zur Vorbereitung gegeben.
Mittlerweile waren aus den ursprünglichen vierzig Männern nahezu sechzig geworden. Ihre Zahl hatte sich durch Flüchtlinge von den umliegenden Inseln erhöht.
Unter ihnen befanden sich zwei Küfer, denen Wiebe den Auftrag gab, Waffen herzustellen. Die beiden Männer grinsten und nickten.
Als Erstes lösten sie die eisernen Beschläge von den Wasserfässern, hämmerten sie flach und schärften die Spitzen.
Aus Holzstücken bastelten sie Prügel, indem sie die Nägel aus den Wasserfässern oben in die Hölzer trieben.
Unterdessen stapelten andere Männer schwere Gesteinsbrocken auf, die ihnen als Wurfgeschosse dienen sollten.
Dennoch machte Wiebe sich Sorgen. Zwar hatte er erfahrene Soldaten an seiner Seite, doch Jeronimus besaß ihre Bajonette, die Gewehre und Säbel.
Morgen für Morgen ließ Wiebe die Männer antreten und probte Angriffs- und Verteidigungsmanöver. Inzwischen war er überzeugt, dass Sich der Feind von Süden nähern würde, wohin ihn die Strömung trieb. Einen militärischen Hinterhalt zu planen, traute Wiebe Jeronimus nicht zu. Trotzdem stellte er an allen wichtigen Punkten der Insel Wachposten auf. Es durfte Jeronimus nicht gelingen, sie zu überraschen, denn dann würde er dank seiner Waffen siegen. Würden die feind lichen Truppen hingegen entdeckt, während sie auf die Landzunge zu ruderten, müssten
Wiebes Männer lediglich warten, bis sie an Land wateten, um sie überwältigen zu können.
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Wir werden uns nicht wie Schafe abschlachten lassen, schwor sich Wiebe. Anders als die armen Seelen auf der Verräterinsel würden sie Jeronimus das Fürchten lehren.
Auf dem Friedhof
Hans Hardens, Annekens Mann, stand mit gesenktem Kopf vor Jeronimus.
»Nun, mein Guter«, begann Jeronimus leutselig, »wie lange bist du denn schon Soldat?«
Hardens schaffte es nicht, seinen Blick zu heben. Er murmelte etwas Unverständliches.
Welch ein Einfaltspinsel! dachte Jeronimus. »Sieh mich an!«, sagte er.
Mit einem Ruck fuhr Hardens' Kopf in die Höhe.
Jeronimus studierte sein Gesicht. Genau wie ich vermutete, dachte er. Ein stumpfes Gesicht mit gierigen Augen. Selbst dieser Tölpel will höher hinaus, will mehr werden, als er ist.
»Bist du bereit, dich mir zu unterstellen?«, fragte Jeronimus.
»Ihr könnt auf mich zählen, Generalkapitän.«
Jeronimus schmunzelte. Habgier und Unterwürfigkeit! Genau die Zutaten, die er brauchte. Nun musste der Tropf noch seine erste Probe bestehen. Das würde ein lustiges kleines Experiment werden. - »Es reicht nicht, dergleichen einfach zu verkünden, Hans«, erklärte Jeronimus sanft. »Ich muss das nachprüfen. Das verstehst du doch.«
Jeronimus zwinkerte Zeevanck und dem Steinmetz zu, die hinter Hans Hardens standen. Die beiden wussten, was er plante, und grinsten.
Hardens blickte sich zu ihnen um. Er sah, dass sie mit ihren Schwertern spielten, und schluckte nervös.
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»Wir haben Silber«, begann Jeronimus erneut, indem einen Dukaten hervorholte und ihn im Lampenlicht auffunkeln ließ.
»Und wir verfügen über Frauen.« Er seufzte betrübt. »Ach herrje«, fuhr er fort. »Du hast ja schon eine. Bist du ihr ebenso treu ergeben wie mir?«
»Im Vergleich zu Euch bedeutet sie mir nichts.«
»Prächtig«, lobte Jeronimus. »Und äußerst günstig! Denn für alle Frauen wird nicht immer genug Platz unter uns sein.«
Hans Hardens senkte den Blick.
Er sieht aus, als sei ihm übel geworden, fand Jeronimus. Doch wer weiß, vielleicht lag es auch nur am Schein des Kerzenlichtes.
»Hättest du Lust, heute Nacht das Frauenzelt zu besuchen?«, erkundigte sich Jeronimus. »Mit welcher würdest du dich am liebsten vergnügen? Willst du Annie Bottschieters mit ihren schweren, wogenden Brüsten oder die kleine Sussie Fredericks, die wohl eher ein wenig dünn geraten ist? Doch manche finden ja gerade das reizvoll. Oder hättest du Spaß an Tryntgen?«
Hans Hardens warf Jeronimus einen verstohlenen Blick zu, woraufhin dieser aufmunternd nickte.
»Oder möchtest du etwa Anneken besuchen? Sie ist schließlich deine Frau. Ich persönlich würde sie nicht anrühren.
Sie ist mir zu fett. Ich mag keine dicken Hinterteile.«
Ehe Hardens etwas entgegnen konnte, warf Jeronimus den silbernen Dukaten in die Luft. »Da, fang auf«, sagte er. »Wir haben davon noch reichlich.«
Hardens riskierte abermals einen Blick über die Schulter. Der Steinmetz und Zeevanck ließen ihn nicht aus den
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