Zorn der Meere
Augen.
»Ich sagte doch bereits, dass ich Euch treu ergeben bin«, beeilte Hardens sich zu versichern. »Befehlt mir, was Ihr wollt.«
Jeronimus lachte belustigt auf. »Ich erteile keine Befehle. Du musst einfach nur wählen, sonst nichts.«
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»Ihr müsst mir sagen, was ich zu tun habe«, beharrte Hardens.
»Im Gegenteil«, erwiderte Jeronimus. »Das ist ja gerade das Schöne. Du musst nichts tun. Ich bin dabei, dich zu prüfen, und irgendwann werde ich dir sagen, ob du bestanden hast oder nicht.« Jeronimus beugte sich vor und flüsterte: »Ich kann deine Träume erfüllen, Hans. Jeden einzelnen deiner kleinen, schmutzigen Träume mache ich wahr, wenn du es willst.«
Hans Hardens verließ das Frauenzelt, knöpfte sich die Hose zu und machte einen äußerst zufriedenen Eindruck.
Als er sich zum Strand begab, rannte Anneken hinter ihm her.
Judith beobachtete sie. Es wird dir nichts nutzen, dachte sie.
Er interessiert sich nicht mehr für dich - falls er das je getan hat.
Anneken versuchte, ihren Mann am Ärmel zu fassen.
»Lass mich zufrieden, Weib!«, knurrte Hans.
»Ich gehöre doch zu dir!«, schluchzte Anneken. »Ich bin deine Frau.«
Hans Hardens wandte sich zu ihr um. »Alle Frauen gehören mir!«, rief er. »Nicht nur eine.«
Anneken klammerte sich an ihm fest, doch Hans stieß sie von sich und hob die Faust.
»Willst du Prügel?«, drohte er.
Judith stand auf und kletterte von ihrem Felsen hinunter.
»Hans, lass das!«, befahl sie. »Tu ihr nicht noch mehr zuleide.«
Hans Hardens ließ von Anneken ab und betrachtete Judith mürrisch. Dann zuckte er die Achseln. Offenbar wollte er sich mit Judith nicht anlegen, da sie ja jetzt Frau van Huyssen war.
»Ich tue, was ich will«, murrte er im Weggehen.
Anneken hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Zwischen ihren Fingern sickerten Tränen hervor. Judith legte ihren Arm um sie. »Komm, Anneken«, tröstete sie die weinende Frau und
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reichte ihr ein Tuch. »Trockne deine Tränen. Er ist es doch gar nicht wert.«
»Tryntgen und Sussie, diese Dirnen«, flüsterte Anneken.
»Was haben sie mit ihm gemacht?«
»Sie hatten doch keine Wahl«, entgegnete Judith. »Glaubst du, es hat ihnen Spaß gemacht?«
Anneken ließ die Hände sinken und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe das nicht«, murmelte sie. »Ich war ihm eine gute Frau.
Warum hat Gott das zugelassen?«
»Ich glaube, Gott ist in Holland geblieben«, antwortete Judith.
»Wenn mich nicht alles täuscht, ging der Teufel in Texel an Bord.«
Als Judith aufsah, erblickte sie Jeronimus, der den Zwischenfall verfolgt hatte. Er nickte Judith zu und lächelte.
Auf der Langen Insel
Die Männer kauerten sich um ein kleines Feuer. Zum Schutz gegen die Kälte hatten sie sich Robbenfelle um die Beine gebunden. Dennoch hätte jeder von ihnen einiges für die warmen Decken gegeben, die sich auf der Friedhofsinsel befanden.
»Wir haben doch jetzt ein Floß«, hub einer der Männer an.
»Warum rudern wir nicht los, um die Frauen zu retten?«
»Wir wissen doch nicht einmal, ob sie noch leben«, erwiderte Wiebe bedächtig.
»Oh, ich wette, dass sie noch leben«, erklärte Aris Janz. »Die Gründe, weswegen man sie leben lässt, sind schnell genannt.«
Wiebe runzelte die Stirn. »Wir haben ein einziges Floß«, begann er. »Darauf bringen wir vielleicht ein halbes Dutzend von uns unter, für die wir jedoch kaum genug Waffen besitzen.
Wir müssten im Dunkeln aufbrechen und gegen die Strömung
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rudern. Sollten wir es bis auf die Insel schaffen, müssten wir die Frauen erst einmal finden. Und was dann? Wie schaffen wir sie fort? Auf dem Floß ist nicht genug Platz. Wenn wir in einen Kampf geraten, ist Jeronimus uns zahlenmäßig überlegen, und vernünftige Waffen hat er auch.«
Die anderen schwiegen.
»Deine Frau ist ja auch nicht da drüben«, bemerkte einer.
Das stimmt, bestätigte Wiebe stumm. Aber dennoch dachte er fortwährend an Judith und Sussie, stellte sich den Steinmetz bei ihnen vor oder Mattys Beer. Es reichte aus, um ihm nachts den Schlaf zu rauben, doch darüber wollte er den anderen nichts erzählen.
»Wir müssen warten, dass sie zu uns herüberkommen«, murmelte Wiebe.
Ein Soldat stand auf, spuckte aus und ging mit wütenden Schritten davon.
Die anderen rückten dichter zusammen. »Gut, dass du einen klaren Kopf behältst«, sagte einer zu Wiebe.
Ich weiß nicht, ob ich einen klaren Kopf behalte oder ob ich ein Feigling bin, dachte Wiebe. Eins ist
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