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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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so etwas mit?«
    -367-

    »Wie konntest du nichts wissen?«
    »Ja, denkst du denn, Jeronimus weiht mich in alles ein?«
    Judith schaute in Conrads Augen. Sie waren blau und klar. Sie wollte ihm Glauben schenken. Sie hoffte, er wäre wie sie nur ein unschuldiges Opfer schlimmer Umstände.
    »Ich will überleben«, erklärte Conrad. »Genau wie du.
    Deshalb hast du mich doch auch geheiratet, oder etwa nicht?«
    »Was ist mit meinem Vater? Was geschieht mit ihm?«
    »Warum, glaubst du, lebt er noch? Er wäre tot, wenn ich nicht wäre.«
    Auch das versuchte Judith zu glauben.
    »Ich tue dir nichts zuleide«, flüsterte Conrad. »Niemals.«
    Er küsste Judiths Mund, doch ihre Lippen blieben kalt. Wenn er nun ein Messer nähme und es mir in die Brust stieße, würde mich Aas ebenso wenig berühren, dachte sie. Nicht einmal schreien würde ich.
    Conrad begann, Judiths Mieder aufzuschnüren. Anschließend streifte er es ihr über die Schultern und bettete Judith sanft auf das Lager. Danach blies er die Lampe aus und begann sich zu entkleiden. Judith hörte den Steinmetz und die Jankers draußen vor dem Zelt lachen, doch wie alles andere drang auch dies kaum in ihr Bewusstsein. Vergeblich fahndete sie nach Empfindungen der Angst, des Schmerzes, des Hasses oder der Wut. Sie kam sich vor wie eine alte Frau, die in einer Truhe nach etwas gräbt, das sich dort vor langer Zeit einmal befunden hat, inzwischen jedoch abhanden gekommen ist.
    Judith hörte, dass Conrad die Schnallen seiner Schuhe löste.
    Danach fielen sie zu Boden, und Conrad glitt neben Judith. Er küsste sie erneut und murmelte ihr Liebesworte ins Ohr, während seine Hände ihren Körper erforschten.
    -368-

    Wusste er von dem Mord an meiner Familie? fragte sich Judith erneut. muss ich ihn verabscheuen? Liege ich bei einem Lügner? Macht mich ein Mörder zur Frau?
    Sie schloss die Augen und ließ Conrad gewähren. Ich bin die Ehefrau eines Jonkers, sagte sie sich. Meinem Mann gehört ein Fleckchen Sand. Meine Seele ist verloren, aber auch das schert mich nicht. Soll Gott getrost die Wahrheit über mich erkennen: Ich tausche selbst die Erinnerung an meine Familie gegen das Versprechen von Sicherheit ein.
    Ich bin in der Tat die wahre Tochter meines Vaters.
    Vom Eingang ihres Zeltes aus sah Lucretia die Möwen kreischend in den Kanal zwischen den Inseln stoßen. Wenn sie auftauchten, zappelten Fische in ihrem Schnabel.
    Hinter ihnen brauten sich Wolken zusammen, durch die sich nur noch einzelne Sonnenstrahlen bohrten. Der Wind war feucht und kalt. Es würde Regen geben.
    Plötzlich ertönten am Strand Schreie. Lucretia trat aus ihrem Zelt und beschirmte ihre Augen mit der Hand.
    Auf dem Meer trieb ein Floß. Offenbar war es von der Verräterinsel gekommen. Es hielt auf die Lange Insel zu.
    Einigen von denen, die Jeronimus dort ausgesetzt hatte, war es geglückt, sich aus Treibholz ein Floß zu zimmern.
    Jeronimus befand sich bereits am Strand und brüllte seinen Gefolgsleuten zu, sich zu sputen.
    Kurz darauf rannten Jan Hendricks und ein paar andere los und schoben ihr Floß ins Wasser. Sie sprangen hinauf und begannen, aus Leibeskräften zu rudern.
    Die Menschen von der Verräterinsel hatten keine Chance, so viel war Lucretia klar. Es befanden sich ihrer zu viele auf dem kleinen Floß und sie hockten zu dicht aufeinander. Zudem stellte sich die Strömung ihnen entgegen und trieb sie zurück.
    -369-

    Als die beiden Flöße aufeinander stießen, entstand ein kurzer Kampf, danach schlug das Floß der Flüchtenden um.
    Der Wind trug Lucretia abermals hohe, schrille Schreie zu, die von Frauen stammten.
    Sie lief zum Strand hinunter und blickte angestrengt über das Wasser. Das leere Floß schaukelte auf den Wellen, daneben tauchten dunkle Köpfe auf, Arme ruderten durch die Luft.
    Andere riskierten ihr Glück, indem sie auf die Friedhofsinsel zuschwammen. Die Angreifer auf dem zweiten Floß schauten tatenlos zu.
    Lucretia wollte ihnen entgegenlaufen, doch eine entschlossene Hand hielt sie fest.
    Jeronimus.
    Lucretia hörte verzweifelte Hilfeschreie.
    »Ihr könnt sie nicht einfach ertrinken lassen«, stieß sie hervor.
    »Und ob ich das kann«, erwiderte Jeronimus. »Ihr werdet es gleich sehen.«
    Lucretia wollte sich auf ihn stürzen, doch wie aus dem Nichts tauchte Zeevanck neben ihr auf.
    »Macht sie Schwierigkeiten?«, erkundigte er sich.
    Jeronimus überging seine Frage. Seine Blicke waren wie gebannt auf die Schwimmer gerichtet.
    »Herr Unterkaufmann!«, ließen

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