Zorn der Meere
befand. Sie sah, wie ein Matrose sich wehrte, doch da sprangen Pelgrom und van Os hinzu. Pelgrom setzte sich lachend auf dessen Beine und van Os hielt ihn an den Haaren fest. Es sah aus, als würden ein paar Jungen einen Ringkampf austragen. Andries durchtrennte dem Matrosen die Kehle. Das Blut spritzte bis zur Decke. Es dauerte eine Weile, bis der Ermordete zu zucken aufhörte und reglos dalag.
Andries war bereits beim Nächsten angelangt.
Der Gestank wurde überwältigend. Es war der metallische Geruch von Blut, der sich mit dem von Kot vermischte.
Zeevanck und Jeronimus verfolgten Andries' Werk, als seien sie Aufseher in einer Strafkolonie.
Jeronimus hatte den Kopf auf die Seite gelegt und wirkte zufrieden.
Nun war Jan an der Reihe.
»Nein!« Sussie warf sich Andries in den Arm, doch Zeevanck riss sie zurück und schleppte sie nach draußen. Dort stieß er sie grob zu Boden. »Willst du selbst drankommen?«, knurrte er.
»Wenn nicht, rate ich dir zu verschwinden.«
»Andries muss wahrhaftig einen starken Drang haben, zu überleben«, bemerkte Zeevanck, als Jeronimus das Zelt verließ.
»Vollkommen richtig«, entgegnete Jeronimus. »Er hat die Kranken ruckzuck von ihrem Leiden befreit. Er ist geschickter als jeder Arzt.«
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In diesem Moment trat Andries aus dem Krankenzelt heraus.
Er ließ sein Messer fallen und rannte zum Strand. Dort warf er sich kopfüber in die Wellen.
»Zwanzig Mann hat er getötet«, lobte van Os beim Verlassen des Zeltes. »Mehr schafft auch keine Kanonenkugel.«
Andries erhob sich aus dem Wasser und versuchte, das Blut von seinem Hemd und seinen Händen abzuwaschen. Die Wellen, die ihn umspülten, färbten sich rosig.
Später schleppte er sich auf den Strand zurück und ließ sich dort niedersinken. Er begriff, dass seine Seele verloren war. Er gehörte von nun an dem Teufel.
Als die Nacht einsetzte, hockte Sussie noch immer zusammengekauert in einer Ecke des Frauenzeltes und zitterte.
Tryntgen hatte einen Arm um sie gelegt und versuchte, sie zu trösten. Sussie bettete ihren Kopf an Tryntgens Brust und weinte.
Die anderen Frauen sahen sich hin und wieder beunruhigt an.
Sie horchten auf die Stimmen, die von draußen ertönten.
Schritte knirschten näher, hielten inne, wanderten weiter.
Die Frauen atmeten auf.
»Wir haben erfahren, dass Ihr Eigentum der Companie gestohlen und hier versteckt habt«, erklärte eine raue Stimme im Nachbarzelt.
Sussie erkannte den Sprecher. Es war Jan Hendricks, einer der brutalsten unter Jeronimus' Henkersknechten. Sie presste sich die Hände auf die Ohren, doch dann ließ sie sie sinken. Ihr durfte nichts entgehen, das hatte sie sich geschworen. Sie würde darüber Zeugnis ablegen - eines Tages... falls sie überlebte.
»Los steht auf!«, befahl Jan Hendricks. »Das ist eine Durchsuchung.«
Sussie hörte die Bewohner des Nachbarzeltes wimmernd ihre Unschuld beteuern. Sie flehten Jan an, sie zu verschonen.
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»Es muss sein«, erwiderte dieser. »Das ist ein Befehl.«
»Los, mach schon«, drängte Zeevanck.
»Warum können wir ihnen nicht helfen?«, flüsterte Sussie.
»Sei still«, zischte Tryntgen zurück. »Du weißt genau, warum das nicht geht.«
Die beiden Schwestern hielten sich in der Dunkelheit umklammert und lauschten in die Nacht. Sie hörten ihre Nachbarn sterben, vernahmen die gurgelnden Laute, die Menschen mit durchschnittener Kehle von sich geben, wenn sie in ihrem Blut ertrinken.
Eine neue Stimme gesellte sich zu den anderen.
Jeronimus.
Zeevanck wollte von ihm wissen, ob sie den Jungen verschonen sollten. Er könne ihnen dienen.
»Er hinkt, er ist ein Krüppel«, beschied Jeronimus ihn. »Ich wüsste nicht, wozu er mir dienen sollte. Bring ihn um!«
Sussie hörte eine gellende Kinderstimme und gleich darauf heftiges Fluchen.
»Das Messer ist hin«, schimpfte Jan Hendricks. »Beeilt euch, verschafft mir ein neues!«
Knirschende Laufschritte ertönten und die Geräusche von dumpfen Hieben. Das Schreien verstummte. Kurz darauf war abermals das entsetzliche Gurgeln zu vernehmen.
Die Frauen hockten starr auf dem Boden und wagten sich nicht zu rühren. Jede wüsste, was die andere dachte. Es würde nicht mehr lang dauern, bis die Reihe an einer von ihnen war.
Auf der Langen Insel
Eines Tages wird Jeronimus hier erscheinen, überlegte Wiebe.
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Wenn er und seine Schergen mehr Mut besäßen, wären sie bereits da gewesen. Vor allem hätten sie das längst getan, wenn sie klüger
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