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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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glaube, dass es mir gelungen ist, umfängt er mich und verwirrt mir die Sinne.
    Zuweilen versuchte Judith sich einzureden, Conrad sei nicht böse, sondern gleiche vielmehr einem verwöhnten, ungezogenen Kind, das sich weigert, erwachsen zu werden, und glaubt, es sei mitten in ein Abenteuer geraten. Nur wenn es um sie ging, wurde Conrad zum Mann, liebte sie hingebungsvoll und sorgte für ihren Schutz. Vielleicht hatte ihr Vater doch das Richtige getan, indem er sie mit Conrad vermählte. Würde sie ohne ihn nicht das Schicksal der anderen Frauen teilen? War es nicht besser, so wie es war? Müsste ihr Herz nicht Conrad ebenfalls lieben, so wie ihr Körper es bereits tat?
    Jeronimus spielte mit einem dunkelblauen Band aus Samt, das einmal ein Halsband gewesen war. Dabei ließ er Hans Hardens nicht aus den Augen. Er wusste, dass er das Band erkannte, und lächelte, als der andere schwieg.
    »Die Gier nach den Frauen ist gottgegeben«, bemerkte Jeronimus und formte das Band zu einer Schlinge. »Selbst durch Morde lässt ein Mann sich nicht davon ablenken.«
    Hans schluckte und stierte auf das Band.
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    »Schade«, fuhr Jeronimus fort, »schade, dass niemand nach Anneken gierte.« Er richtete sich ein wenig auf. »Mach kein so bekümmertes Gesicht, Hans! Das mag ich nicht. Es tut dir doch nicht etwa Leid?«
    Hans schüttelte den Kopf.
    »Da!«, sagte Jeronimus und hielt ihm das Band hin. »Nimm es als Andenken mit oder schenke es einer von denen, die du beglückst. Anneken braucht es nicht mehr.«
    Hans ergriff das Band und zerknüllte es in der Faust.
    Jeronimus seufzte und bedeutete ihm zu gehen. Er musste daran denken, wie Anneken sich gewehrt hatte. Sie war nicht leicht zu bändigen gewesen. Zu zweit hatten sie ihre Arme festgehalten, und der schwere Steinmetz musste sich auf ihre Beine knien, ehe Pelgrom sie erwürgen konnte. Mit diesem billigen kleinen Bändchen, das ihr weiß Gott wer geschenkt haben mochte. Und Hans
    hatte zugeschaut. Hatte auch da kein Wort gesagt. Er war ein dummer Bauer und seine Frau hatte genau zu ihm gepasst.
    Lucretia schreckte auf. Zeevanck stand am Eingang ihres Zeltes. Er trat einen Schritt vor und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Die liebe Madame van der Mylen«, murmelte er, indem er sie mit abschätzigem Blick taxierte.
    Lucretia rümpfte die Nase. »Irgendetwas riecht hier schlecht«, sagte sie. »Merkt Ihr das nicht?«
    Zeevanck stutzte. Er drehte sich schnuppernd nach links und rechts. »Was meint Ihr?«, fragte er.
    »Ich weiß es nicht«, entgegnete Lucretia. »Es riecht irgendwie schwefelig. Wie der Teufel. Mag aber sein, dass es nur Euer Atem ist.«
    »Du kleine, dreiste Hure!«, entfuhr es Zeevanck. Mit einem Satz war er bei Lucretia, umfasste ihr Kinn und drückte zu. Als
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    Lucretia einen Schmerzensschrei ausstieß, ließ er sie los. »Gib acht, was du sagst«, knurrte er. »Beim nächsten Mal setzt es mehr.«
    Lucretia funkelte ihn wütend an. »Was für ein starker Mann Ihr geworden seid!«, spottete sie. »Einer, der sich sogar an Frauen und Kindern vergreift. Eine großartige Entwicklung für einen kleinen Schreiber der Companie.«
    »Noch immer auf dem hohen Ross, die liebe Frau van der Mylen, noch immer nichts gelernt«, parierte Zeevanck gedankenvoll.
    Er ließ sich auf Lucretias Bett nieder und zog die Brauen zusammen. »Dabei sind mir Klagen zu Ohren gekommen...
    hässliche Klagen... Klagen, die Folgen haben werden. Ich mache mir große Sorgen um Euch.«
    »Worauf wollt Ihr hinaus?«
    Zeevanck zog sein Messer hervor und wog es in der Hand.
    »Jeronimus ist ein seltsamer Mann«, erklärte er. »Unheilbar romantisch, es ist kaum zu glauben...«
    »Romantisch?« Lucretia lachte auf. »Nun, darauf wäre ich beim besten Willen nicht gekommen.«
    »Macht Euch noch einmal lustig, und ich schneide Euch die Kehle durch!«
    »Warum sagt Ihr mir nicht lieber, was Ihr wollt?«
    »Ich? Ich will gar nichts. Es ist Jeronimus, der etwas will.
    Wenn ich etwas wollte, lägt Ihr jetzt schon über dem Tisch, und ich nähme mir, was ich wollte. Doch Jeronimus ist ein Gentleman, sanft und von zartem Gemüt.«
    »Er macht sich die Hände nicht schmutzig. Wenn Ihr das meint, hättet Ihr Recht.«
    »Ihr solltet Euch nicht abfällig über ihn äußern«, rügte Zeevanck. »Ohne ihn müsstet Ihr alle Männer bedienen, genau wie die anderen Huren. Und wenn Ihr Eure Zunge nicht besser
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    beherrscht, geschieht das auch noch.« Er spielte gedankenverloren mit dem Messer.

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