Zorn der Meere
»Und eines Tages, Madame van der Mylen, landet Ihr dann bei mir.«
Zeevanck erhob sich. Unvermittelt griff er in Lucretias Haar und riss ihren Kopf zurück. Er setzte sein Messer an ihre Kehle.
»Genug mit dem Geplänkel«, zischte er. »Ihr sperrt jetzt Eure Ohren auf und hört mir zu. Ab sofort seid Ihr nett zu dem Generalkapitän und tut, was er verlangt. Wenn nicht, werdet Ihr Euch wundern, was Euer kleiner Schreiber alles vermag.«
»Das würde Jeronimus niemals erlauben«, stieß Lucretia gepresst hervor.
Zeevanck lachte höhnisch. »Damit rechnet Ihr, nicht wahr?«
Er zog Lucretias Kopf noch ein Stück tiefer nach unten und beugte sich über sie. »Ihr habt Euch leider geirrt, meine Liebe.
Jeronimus ist Eure Spielchen leid. Er lässt Euch ausrichten, dass er Euch seinen Schutz entzieht. Morgen früh geht's ab ins Frauenzelt, zu Sussie und Tryntgen. Bedenkt jedoch, dass der Steinmetz und ich keine Romantiker sind, wir haben leider kein zartes Gemüt.« Sein Gesicht rückte abermals näher. »Pelgrom lernt gerade, wie man eine Frau von hinten bespringt«, raunte er.
»Wollt Ihr, dass er Euch das zeigt?«
Er gab Lucretia einen Stoß.
Sie taumelte und stürzte zu Boden. Erst nach einer Weile richtete sie sich wieder auf, rieb sich die Kehle und röchelte ein wenig.
Zeevanck ging lachend hinaus.
Jeronimus ließ Lucretia den ganzen Tag über Zeit, nachzudenken.
Abends betrat er ihr Zelt.
Lucretia roch, dass er getrunken hatte. Sie erhob sich von ihrem Bett.
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»Meine Liebe!«, setzte Jeronimus an, »wie ich höre, sehnt Ihr Euch nach mir.«
»Lasst das!«, erwiderte Lucretia. Sie begann, ihr Kleid aufzuknöpfen und löste die Bänder ihres Rockes. Sie sah das Glitzern in Jeronimus' Augenwinkeln, als sie ihr Kleid abstreifte und zu Boden fallen ließ. Danach legte sie ihre Unterkleidung ab, kalt und mechanisch.
Jeronimus betrachtete ausgiebig ihren Körper. Er kam näher.
Versonnen strich er über ihre Brüste. Dann schlang er die Arme um Lucretia und küsste sie auf den Mund.
Lucretia schob Jeronimus von sich. »Beeilt Euch!«, sagte sie.
Sie wandte sich um und legte sich auf ihr Bett, schloss die Augen und hoffte, dass es schnell gehen würde, so schnell wie bei ihrem Mann.
»O nein«, murmelte Jeronimus, indem er sich entkleidete.
»Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass ich mich beeilen werde.
Ich werde es langsam tun, um es in aller Ruhe zu genießen.«
Als er sich zu Lucretia gesellte, wandte sie den Kopf ab.
Seine Hand fuhr über ihre Schenkel und Lucretia lief es kalt über den Rücken. Anschließend lag sie wie eine Puppe da und ließ ihn gewähren.
Es gibt Menschen, die die Folter aushalten, dachte Lucretia, während Jeronimus auf sie glitt, und immerhin habe ich bereits eine Nacht des Grauens überlebt und seitdem Tage und Nächte des Wahnsinns. Dagegen ist das, was nun geschieht, leicht zu ertragen.
Lucretia horchte auf die Laute, die Jeronimus hervorbrachte, als er in sie eindrang.
Jeronimus ließ sich in der Tat Zeit, bis er zuletzt aufstöhnte und Lucretias Namen ausrief.
Sie wartete darauf, dass er sic h erhob. Aber Jeronimus stand nicht auf.
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»Ich danke dir, liebste Lucretia«, sagte er und bettete sich neben ihr zurecht. »Fürs Erste habe ich bekommen, was ich brauchte.«
Dann drehte er sich zu ihr herum und schob einen Arm über sie.
Das ist jetzt ein anderer Geruch, fuhr es Lucretia durch den Sinn. Es ist ein Gemisch aus Wein, Schweiß und dem Duftwasser, das Francois einmal gehörte.
Später, als Lucretia Jeronimus' gleichmäßigem Atem und dem Rauschen des Meeres lauschte, überlegte sie, ob dies nun die neue Lucretia war. Die Bettgefährtin eines Henkers, eine Frau, die alles tat, um zu überleben.
Judith wachte auf. Sie war allein in ihrem Bett. Langsam erhob sie sich und wanderte nach draußen, um sich zu erleichtern. Als sie das Feuer vor Jeronimus' Zelt erblickte, schlich sie dorthin.
Die Jonkers hatte sich rings um das Feuer versammelt. Judith hörte Conrads Stimme unter den anderen heraus.
»Was wirst du tun, wenn das Rettungsschiff kommt?«, fragte einer der van Weiderens. »Nimmst du die kleine Bastians mit?«
»Selbstverständlich nehme ich sie mit«, entgegnete Conrad.
»Da, wo wir hinsegeln, ist diese Ehe gültig. In Holland wäre das selbstverständlich anders. Da ginge das nicht.«
»Bist du in sie verliebt?«, fragte eine spöttische Stimme.
»Nein«, kam es von Conrad zurück. »Das nicht.«
»Was ist es denn dann? Was
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