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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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gehen und uns befehden.« Er zog mehrere Silbermünzen hervor und hielt sie den Männern hin. »Schaut euch die gut an!«, trug er ihnen auf. »Ihr wisst, dass es noch viele davon gibt. Die Kisten auf dem Wrack sind voll davon. Mehr als genug für
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    jeden. Hört also auf mit der Streiterei! Wir haben Wichtigeres zu bedenken. Wenn das Rettungsschiff eintrifft, müssen wir kämpfen, und das wird ein anderer Kampf als der auf der Langen Insel! Dort habt ihr euch wie Hasenfüße aufgeführt, doch beim nächsten Mal müsst ihr als Helden auftreten!« Er betrachtete seine Leute kopfschüttelnd. »Ihr bekommt, was ihr wollt, alles, was ihr jemals erträumtet. Ihr müsst mir lediglich vertrauen.« Jeronimus machte eine Pause. »Tut ihr das?«, fragte er, während sein Blick prüfend über die Runde glitt.
    Die Männer murmelten Unverständliches.
    »Ich glaube, ich habe euch nicht richtig gehört«, sagte Jeronimus. »Ich möchte, dass ihr mir laut und deutlich eure Treue schwört.«
    Sie schworen sie laut und deutlich.
    »Bis in den Tod?«
    Sie schworen auch das.

    Neunundzwanzig Grad und neunzehn Minuten südlicher Breite
    zweiundzwanzigster Tag des August im Jahre des Herrn, 1629
    Vom Bug der Zandaam erhob sich ein Albatros und schraubte sich in großen Kreisen in die Lüfte hinauf, von wo aus das Schiff unter ihm wie eine Nussschale auf den Wellen schaukelte, gefolgt von einer dünnen, weißen Spur. Er legte sich auf die Seite und begann, einen neuen Bogen zu ziehen. Mit seinen scharfen Augen entdeckte er kleine weiße Kränze. Er wusste, was sie bedeuteten. Sie rührten vom Schaum der Brandung her, die sich an winzigen Felseninseln brach.
    Der Albatross hatte eine bessere Sicht als die Seeleute auf der Zandaam, die sich in südöstlicher Richtung bewegte und aufgrund der mäßigen Brise nur langsam vorankam.
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    Francois stand auf dem erhöhten Quarterdeck und suchte mit den Augen den Horizont ab. Seine Stimmung war gereizt.
    Siebenunddreißig Tage waren sie bereits auf See. Sie hätten die Felsen längst entdeckt haben müssen - immerhin hatten sie in sehr viel kürzerer Zeit Java mit einem Boot erreicht, das gerade einmal groß genug war, um als Hafenbarkasse zu taugen.
    Die Menschen waren gewiss längst tot, grübelte Francois. Seit fast zwei Monaten befanden sie sich auf dieser Insel. Es wäre nahezu ein Wunder, wenn noch einer von ihnen lebte. Aber -
    wollte er das überhaupt? Wollte er, dass sie ihre anklagenden Finger reckten und ihn beschuldigten, sich aus dem Staub gemacht zu haben?
    Francois hasste sich für diese Frage, doch er vermochte sie dennoch nicht zu verdrängen. Er setzte sein Teleskop ans Auge.
    Vielleicht gibt es eines Tages eine Erlösung für meine Seele, dachte er. Und sollte mir das nicht beschieden sein, so hoffe ich zumindest auf die Wiederherstellung meines guten Rufes.

    Auf dem Friedhof
    Lucretia suchte sich eine abgelegene Stelle am Strand, an der sie in die Wellen watete und ihre Röcke hob, um sich zu waschen.
    Ich kann mich hundertmal waschen, dachte sie, oder auch tausendmal, es ist vollkommen einerlei. Ich werde nie mehr sauber sein. Das hat Jeronimus erreicht, indem er mich zu seiner Hure machte.
    Sie wanderte ein wenig weiter hinaus, drehte sich um und blickte zurück auf die Klippen. Ich muss das allerdings nicht ertragen, überlegte sie, denn da wäre noch immer dieser andere Weg. Es ist auch ganz leicht, denn es erfordert einfach nur, dass ich jetzt weitergehe.
    Lucretia fielen die Qualen des jenseitigen Lebens ein, von denen Pfarrer Bastians gesprochen hatte. Sie werden kaum
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    schlimmer sein als diejenigen, die ich im diesseitigen Leben erleide, sagte sie sich. Und selbst Schlimmes kann mich nicht schrecken, denn ich weiß ja längst, wie die Hölle ist.
    Lucretia richtete ihren Blick auf den Horizont und bewegte sich langsam vorwärts. Das Wasser reichte ihr allmählich bis zu den Schenkeln, danach bis zur Taille. Ihr Samtkleid wurde schwer. Es klebte an ihren Beinen und behinderte sie.
    Lucretia kämpfte sich weiter vor. Sie gab einen Schmerzenslaut von sich, als ihr Fuß auf eine Korallenspitze traf.
    Für einen Moment hielt sie inne. Warum ist es so schwer zu sterben, wenn das Leben so elend ist? wunderte sie sich. Wenn es keine Zukunft mehr gibt, warum lässt sie sich dann nicht aufgeben und vergessen? Woran klammere ich mich fest?
    Lucretia spürte die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht und sah die glitzernden Wellen vor ihren Augen tanzen.
    Sie

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