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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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schloss die Augen und schritt tiefer in die Fluten hinein.
    Hinter ihr rannte jemand rufend, fluchend und platschend ins Wasser.
    Lucretia tat noch einen Schritt. Er landete im Leeren. Sie schrie auf, als sie versank.
    Gleich darauf wurde sie von Händen gepackt und an die Oberfläche zurückgezogen.
    Lucretia hörte Zeevanck etwas brüllen. Er schüttelte sie wütend, zerrte sie dahin, wo sie stehen konnte, und trieb sie anschließend, Verwünschungen ausstoßend, vorwärts.
    Auf dem Strand sank Lucretia nieder. Ihr war kalt. Zitternd schlang sie die Arme um sich.
    »Warum hast du das getan?«, fragte eine Stimme.
    Jeronimus legte Lucretia eine Decke um die Schultern und setzte sich zu ihr.
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    »Gebe ich dir nicht alles, was du brauchst, Lucretia? Habe ich dich nicht stets vor allem bewahrt? Bin ich dir kein treuer Beschützer?«
    Lucretia barg ihr Gesicht in den Händen und begann zu weinen. Es hatte keinen Sinn, Jeronimus etwas zu erklären. Wie war es möglich, mit einem Menschen zu verhandeln, der die Gefühle eines anderen nicht begriff, der keinen Funken Moral mehr besaß, der sich im Dickicht seines Wahnsinns verirrt und verloren hatte?
    Jeronimus berührte sie am Arm. »Warum hast du das getan, Lucretia?«, wiederholte er leise.
    Er liebt mich wahrhaftig, ging es Lucretia durch den Sinn.
    Das ist beinahe das Entsetzlichste von allem.

    Achtundzwanzig Grad und neunundfünfzig Minuten südlicher Breite
    erster Tag des September im Jahre des Herrn, 1629

    Jakob Jakobsen, der Kapitän der Zandaam, und Francois entdeckten die Riffe gleichzeitig.
    Es war der siebenundvierzigste Tag ihrer Reise.
    Adriaen hätte sie früher gefunden, dachte Francois.
    Er hörte, dass Jakobsen den Befehl zum Wenden gab.
    »Was tut Ihr da?«, herrschte Francois den Kapitän an. »Wir dürfen nicht wenden. Es wird einen Weg durch die Riffe geben.«
    »Zu gefährlich«, brummte Jakobsen. Er blickte Francois mit gerunzelten Brauen an. Du hast bereits ein Schiff zuschanden gefahren, besagte sein Blick. Glaub nicht, dass du meines auch noch bekommst.
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    Francois wurde blass und wandte sich ab. Sie waren so dicht vor dem Ziel! Er konnte bereits mehrere Inseln in der Ferne erkennen. Es waren diejenigen, die sie suchten, davon war er überzeugt. Er konnte sich eindeutig an diese Umrisse erinnern.
    In weniger als einem Tag wären sie da, wenn Jakobsen sich nur durch die Riffe wagen würde!
    Doch die Zandaam richtete ihren Bug gen Westen und segelte auf das offene Meer zurück, um von dort aus eine sichere Passage zu suchen.
    Adriaen wäre nicht derart zimperlich gewesen, grollte Frangois. Ihn hätte der Eifer getrieben, er hätte es gewagt.
    Ich will, dass es vorbei ist, dachte er anschließend. Ich will das Schlimmste erfahren, ich will, dass es hinter mir liegt.

    Auf dem Friedhof

    Da ist der gute Pfarrer Bastians, dachte Jeronimus. Ein Glück, dass er noch lebt. Ich wusste doch, eines Tages würde ich ihn brauchen.
    Jeronimus rückte sich auf seinem roten Samtsessel zurecht und betrachtete die ausgemergelte Gestalt.
    »Ich habe Euch als Boten ausgewählt«, begann er freundlich lächelnd. »Als besonders vertrauenswürdigen Boten sogar. Als Mann, dem die Menschen Glauben schenken.«
    Er sah einen Hoffnungsschimmer in Pfarrer Bastians' Augen aufflackern. Er gibt nie auf, dachte Jeronimus. Er sucht noch immer nach einem Rettungsweg für sich.
    »Ich bin zu dem Ergebnis gekommen«, fuhr Jeronimus fort,
    »dass diese Insel uns nicht länger ausreichend versorgt. Wir benötigen mehr Nahrung, wir benötigen vor allem frisches Wasser. Deshalb wollen wir auf die hohe Insel übersiedeln, die man dort hinten am Horizont erkennt. Allerdings brauchen wir
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    dazu das Floß, das die Meuterer von der Langen Insel gestohlen haben, denn unsere Flöße reichen nicht, um unsere kleine Gemeinde zu transportieren.«
    Pfarrer Bastians nickte, als leuchte ihm jedes Wort ein.
    »Ihr werdet zu der Langen Insel hinübergerudert. Ihr sollt mit den Meuterern verhandeln. Wir bieten ihnen Wein und warme Decken. Dafür erhalten wir das Floß. Sobald der Tausch vollzogen ist, lassen wir sie in Frieden. Gott wird sich ihrer Seelen erbarmen. Glaubt Ihr, Ihr schafft es, sie zu überzeugen?«
    Pfarrer Bastians nickte, als wäre er sich ganz sicher.
    Jeronimus stutzte. »Ich habe Euch doch immer gut behandelt, nicht wahr?«
    Als Pfarrer Bastians erneut nickte, lachte Jeronimus schallend auf. Der Mann ist tatsächlich wie ein Hund, dachte er. Man kann ihn

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