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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falconer,Colin
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es aussah, stritten sie sich nun um die vorhandenen Wasserfässer.
    Man sollte eigentlich annehmen, dass sie allmählich erlahmen, dachte Jacobs. Als er sah, dass etliche der Soldaten Ordnung zu schaffen versuchten, ließ er sein Fernglas sinken.
    Ein anderer Teil der Soldaten hatte es allerdings vorgezogen, sich dem Beispiel der Franzosen anzuschließen. Sie waren zurückgeblieben und betranken sich im Laderaum. Jacobs hörte sie johlen und lärmen.
    Und der feine Herr Kommandeur, dachte er, hat nur seine kostbare Fracht im Sinn. Alles andere scheint für ihn ohne Belang.
    Die Sonne drängte sich durch die Wolken und zielte mit langen, dünnen Strahlen auf die gegenüberliegende Insel.
    Zwischen dem unwirtlichen Gestein erspähte Jacobs sandige Mulden und den schmalen Bogen des Strandes, der sich im Zwielicht verlor. Die Insel sieht bereits jetzt wie ein Friedhof aus, ging es ihm durch den Kopf. Bald schon würden die Seevögel, die in den Lüften kreisten, sich dort zu Schwärmen niederlassen, um die Toten bis auf ihre Knochen sauber zu picken.
    Ich muss mich nun langsam entscheid en, sagte Jacobs sich.
    Die Frage der Ehre lasse ich einstweilen außer Acht. Immerhin befand sich der Herr Prediger dort drüben bei den Menschen.
    Der seelische Beistand war ihnen sozusagen gewiss, und er, der Kapitän, wäre infolgedessen überflüssig.
    Ich habe nur ein Leben, hielt Jacobs sich vor Augen. Und ich finde, dass ich es weder für die selbstsüchtigen Kreaturen dort drüben noch für die Trunkenbolde, die im Frachtraum wüten, hergeben sollte.
    Abgesehen davon wäre es auch nicht im Mindesten ein Verrat, wenn er das Langboot nähme und mit einigen anderen
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    versuchte, Java zu erreichen. Ein paar von ihnen mussten sich ohnehin auf den Weg machen, um dort die Nachricht vom Schicksal der Batavia zu verbreiten. Andernfalls würde es ewig dauern, bis man die ersten Suchmannschaften aussandte. Mit dem Langboot bis Java zu segeln würde indes kein Pappenstiel werden. Das wäre ein weiterer Grund, dass er sich mit auf die Reise begab, denn wer außer ihm - oder allenfalls noch Claas Gerritz - sollte das schaffen?
    Den Kommandeur würde er notgedrungen mitnehmen müssen. Den benötigte er zur Rechtfertigung vor dem Gouverneur. Infolgedessen ging es auch nicht, ihn mit dem Ersten Steuermann segeln zu lassen. Wer wusste schon, was die beiden Burschen dann erzählten?
    Somit wäre die Frage geklärt. Als Erstes musste er nun Proviant sicherstellen, ehe auch die letzte Kiste und das letzte Wasserfass auf die Felseninsel verschwand.
    Jacobs kam es vor, als rausche die Brandung im Takt mit seinen Gedanken... Jeder für sich allein, flüsterte sie ihm zu, jeder für sich allein...

    Auf dem Friedhof

    Gewiss sieht es so auf einem Schlachtfeld aus, dachte Judith.
    Auf dem schmalen, sichelförmigen Saum des Strandes lagen Trümmer der Batavia verstreut, die die Flut dort abgesetzt hatte.
    In den flachen Lagunen hatten sich Teile der Masten mit ihren zerfetzten Segelresten verfangen. Sie erinnerten Judith an aufgegebene Fahnen und Standarten. Dazwischen krochen mühsam menschliche Gestalten, bewegten sich stöhnend vorwärts.
    Judith hatte erlebt, wie diejenigen, die die Flucht von der Batavia unverletzt überstanden hatten, neuerlich kopflos wurden und sich daran machten, die Wasservorräte zu plündern. Der
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    Marschall hatte vergeblich einzuschreiten versucht. Allerdings hatte er ihrem Vater einen Tritt versetzt, als dieser ein Fässchen beiseite schaffen wollte.
    Der Wind stob auf die Felsen zu, prallte ab und fuhr zurück.
    Judith zog ihren Umhang enger um die Schultern und blickte zu der Batavia hinüber. Große, graue Wogen spülten über das Wrack hinweg, bisweilen ragte lediglich noch die Spitze des Bugs hervor.

    Auf dem Wrack

    Noch immer befanden sich Menschen an Bord, die Francois umringten, an seinem Umhang zerrten und von ihm verlangten, er solle sie retten. So oder ähnlich stellte Francois sich den Vorhof der Hölle vor. Ich wünschte, sie ließen von mir ab, gestand er sich ein. Ich bin weder Gott noch der Teufel. Ich bin nicht einmal derjenige, der die Schuld an ihrer Verzweiflung trägt.
    Francois warf einen Blick zu der Stelle hin, wo mehrere Truhen mit Silber festgezurrt worden waren. Der Marschall war von der Felseninsel zurückgekehrt und trieb einen Trupp Soldaten an, die die Frachtstücke mit der Seilwinde aus dem Laderaum hoben. Die Gesänge von dort unten waren inzwischen verstummt.
    Francois

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