Zorn des Loewen
Halle. Mallory trat ihm im Gang entgegen.
»Was haben Sie eigentlich vor? Sich im Ruhmesglanz zu verabschieden?«
Adams mußte lachen. »Es passiert so oft, daß mich der Anblick meines Schreibtisches einfach ankotzt, daß ich an die Dekke gehen könnte. Yoshiyama bietet mir das wirksamste Ventil dafür.« Mit einer Hand strich er an seiner rechten Hüfte entlang und zuckte leicht. »Dieser letzte Fall hat mir verdammt weh getan. Ich glaube, ich werde alt.«
Sie stiegen die Treppe am Ende des Flures hinauf. Mallory beschäftigte sich in Gedanken mit Adams. Der war einer der besten Agenten, den die Abteilung je gehabt hatte: mit allen Wassern gewaschen und mit einem glasklaren Verstand ausgestattet, bis zu jener Nacht, in der er jemandem zu nahe gekommen war, und man eine Bombe am Türgriff seines Hotelzimmers in Kairo angebracht hatte.
Jetzt saß er also am Schreibtisch als Leiter der G3, der Aufklärungsabteilung, die das Herzstück der gesamten Organisation war. Es gab Leute, die meinten, daß er dort zufrieden sein müßte. Adams war das jedoch ganz und gar nicht.
Er öffnete die Tür zu einem kleinen, schmalen Büro. Eine grauhaarige Frau mittleren Alters, die man als altjüngferlich hätte beschreiben können, saß an der Schreibmaschine. Sie schaute auf und warf ihnen durch ihre randlose Brille einen mißbilligenden Blick zu. Adams' Mund Verzog sich zu einem Grinsen.
»Sagen Sie's nicht, Milly. Bestellen Sie nur, daß ich jetzt soweit bin.«
Sie schritten weiter und gelangten in sein Büro. Wie das von Sir Charles bot es einen herrlichen Blick über den Fluß. Der Schreibtisch stand am Fenster. Adams öffnete einen Schrank, holte einen dicken Bademantel heraus und zog ihn an.
»Tut nur leid, daß es so spät wurde. Ich hatte gedacht, Sir Charles würde Sie mindestens eine Stunde bei sich behalten.«
»War nur 'ne Viertelstunde«, erklärte Mallory. »Er hat die Angewohnheit, immer gleich zum Kern der Sache zu kommen, wenn es sich um besonders delikate Angelegenheiten handelt.«
»So würde ich sie nicht bezeichnen«, widersprach Adams. »Eher interessant. Die ganze Sache kann sich natürlich als Sturm im Wasserglas erweisen. Gehen wir rüber in den Vorführraum.«
Sie durchquerten den Raum, gingen durch die Tür am hinteren Ende und stiegen ein paar Stufen hinab in einen kleinen Saal. Einige Reihen komfortabler Sessel und eine große Leinwand befanden sich darin. Der Raum war menschenleer. Sie setzten sich, und Mallory bot Adams eine Zigarette an.
»Irgendwelche Fallstricke bei dieser Sache?«
Adams blies den Rauch in einem genüßlichen Seufzer in die Luft. Er schüttelte den Kopf.
»Ich glaube kaum. Jedenfalls keine von Bedeutung. Hat der Alte Ihnen schon viel mitgeteilt?«
»Er hat die Aufgabe umrissen und mir die wichtigen Leute beschrieben. Mehr nicht.«
»Gut, fangen wir also an.« Adams wandte sich zu dem Projektionsraum, wo ein schwaches Licht brannte. »Wir sind soweit.«
Einige Augenblicke später flimmerte ein Film über die Leinwand. Ein U-Boot wurde bei der Einfahrt in einen Hafen gezeigt, die Besatzung war in Reih und Glied auf dem Rumpf angetreten.
»Gleich zu Anfang das Objekt, um das sich alles dreht«, kommentierte Adams die Bilder. »Die Alouette. Die Aufnahmen wurden vor ein paar Jahren in Oran gemacht.«
»Sie wirkt ziemlich klein. Können wohl kaum mehr als ein Dutzend Männer an Bord sein.«
»Ursprünglich war es ein deutsches U-Boot vom Typ XXIII. Knapp dreißig Meter lang. Schafft etwa zwölf km/h unter Wasser. Sechzehn Mann Besatzung.«
»Wie ist es waffenmäßig ausgerüstet?«
»Zwei Dreiundfünfzig-Zentimeter-Torpedos im Bug und keine Ersatzmunition.«
»Das erlaubt keine Fehlschüsse.«
Adams nickte. »Bisher hat man mit ihr noch nicht viel anfangen können. Dieses Boot wurde 1945 von der Deutschen Werft gebaut und sank mit der gesamten Besatzung in der Ostsee. Es wurde 1946 gehoben, wiederhergerichtet und den Franzosen übergeben.«
Der Film war zu Ende, und es erschien ein Dia. Darauf sah man einen jungen französischen Marineoffizier mit ernsten Augen, die unter einer Schirmmütze hervorschauten. Das jungenhafte Gesicht spiegelte eine einstudierte Miene wider, die seiner Person Bedeutung geben sollte.
»Henri Fenelon, Leutnant und Kommandant der Alouette, sechsundzwanzig, ledig. Geboren in Nantes, wo auch sein Vater lebt, der einen kleinen Weinexport
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