Zorn des Loewen
Arroganz zeigt, die aus der tausendjahrealten Haltung resultiert, immer recht zu haben oder zumindest zu glauben, daß es so ist«, stellte Mallory fest. »Männer wie er sind unfähig stillzusitzen. Sie müssen ständig in dieser oder jener Sache Pläne schmieden. Das ist wohl auf die naturgegebene Annahme zurückzuführen, daß alles, was im Widerstreit zur eigenen Meinung liegt, falsch sein muß.«
»Sehr interessant«, merkte Adams an. »Ich halte ihn mehr für einen Puritaner des siebzehnten Jahrhunderts. Einen jener dünnlippigen, intoleranten. Ein verdammt guter Offizier in der ›Armee des Neuen Modells‹.«
»Ein Christ ohne Pardon? Kaum. Er ist kein Frömmler. Eher wohl ein ziemlich arroganter Aristokrat mit einem begrenzten Blickfeld und dieser uneingeschränkten Überzeugung, daß all seine Handlungen richtig sind. Wenn er sich einmal für einen Angriff entschieden hat, führt er ihn auch durch bis zum bitteren Ende. Diese Einstellung hat ihn zu jenem hervorragenden Offizier gemacht. Bei Menschen wie ihm setzt die Einsicht erst dann ein, wenn sie über ihren Schatten springen können und bemerken, wie teuer sie die ganze Sache zu stehen kommt.«
»Das ist eine interessante Persönlichkeitsanalyse, wenn man bedenkt, daß Sie ihn nur vom Foto kennen.«
»Ich kenne ihn als Soldaten«, bemerkte Mallory. »In DienBien-Phu bot man ihm an, ihn auszufliegen. Er war zu wertvoll, als daß man ihn verlieren wollte. In seiner letzten Meldung stellte er fest, daß sich alle, von der Heeresleitung bis hinunter zu ihm selber geirrt hatten, daß die ganze Strategie, auf die man aufgebaut hatte, ein furchtbarer Fehler gewesen war. Und wenn seine Männer bleiben und den Preis der Niederlage zahlen müßten, dann könne sein Platz nur an ihrer Seite sein.«
»Was natürlich zu seiner Popularität in der Armee nicht unwesentlich beigetragen hat«, fügte Adams hinzu.
»Menschen wie er werden von niemandem geliebt, nicht einmal von sich selbst«, stellte Mallory fest.
De Beaumonts Foto verschwand, und es erschien das Bild eines Mannes, dessen Gesicht hart und brutal war. Er trug kurzgeschnittenes, gelocktes Haar.
»Paul Jacaud«, klärte Adams auf. »Vierzig Jahre alt. Eltern unbekannt. Aufgezogen von der Besitzerin eines Stundenhotels im Marseiller Hafenviertel. Drei Jahre in der Résistance; nach dem Krieg Fallschirmjäger. Er war Hauptfeldwebel in de Beaumonts Regiment. Militärauszeichnung und ein Kriegsgerichtsprozeß wegen Mordes, der mangels Beweisen ohne Verurteilung endete.«
»Er ist aber immer noch bei seinem alten Chef?«
»Ja. Sie können sich darauf selbst Ihren Reim machen. Schauen wir uns nun die Guten in diesem Spiel an.«
Ein Foto von Hamish Grant wurde auf die Leinwand projiziert. Es war ein sehr berühmtes vom Winter '44 in den Ardennen. Montgomery stand an seiner Seite, und beide blickten lächelnd auf eine Landkarte. Jeder Zentimeter der Eiserne Grant, starke Schultern bauschten seinen Schaffellmantel.
»Ein toller Mann!« Mallory war beeindruckt.
»Und er hat sich seitdem kaum verändert. Natürlich, seine Augen sind nicht mehr so gut, aber er ist immer noch aktiv. Hat ein paar sehr gute Geschichten über seine Feldzüge im letzten Krieg geschrieben.«
»Was gibt es über seine Familie zu berichten?«
»Er ist Witwer. Der Sohn fiel in Korea. Im Augenblick gehören zu seinem Haushalt seine Tochter Fiona, seine Schwiegertochter Anne und ein ehemaliger Gurkha naik namens Jagbir, der mit ihm zusammen im Krieg war. Hier sieht man die Tochter.«
Fiona Grant hatte langes blondes Haar und ein herzförmiges Gesicht, das überaus ansprechend war. »Das ist ein kleines Früchtchen. Sie wurde im Süden Frankreichs aufgezogen, was jedoch keine positiven Spuren hinterließ. Man hat es dann in Roedean versucht; auch das war ein völliger Fehlschlag. Schließlich hat man sie nach Paris in ein Internat gesteckt, wo es ihr offensichtlich gefiel. Augenblicklich ist sie zu Hause.«
»Ich mag sie«, meinte Mallory, »sie hat einen schönen Mund.«
»Dann schauen Sie sich mal die hier an. Anne Grant, die Schwiegertochter des alten Herrn.«
Es war dasselbe Foto, das Sir Charles ihm schon gezeigt hatte. Mallory starrte es an, und aus einem unerklärlichen Grund wurde seine Kehle trocken. Ihm schien es, als wäre er ihr schon einmal begegnet; und doch wußte er, daß das unmöglich war. Die mandelförmigen Augen schienen zum Leben zu erwachen und seinen
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