Zorn des Loewen
betreibt.«
Mallory studierte die Gesichtszüge einen Moment lang. »Er sieht sehr weich aus. Ist er jemals an irgendwelchen Kampfhandlungen beteiligt gewesen?«
Adams verneinte. »Warum fragen Sie?«
»Er macht einen so zerbrechlichen Eindruck. Weiß man etwas über seinen politischen Hintergrund?«
»Das ist das Überraschende: Wir haben absolut keinen Hinweis für eine Verbindung zur O. A. S.«
»Vielleicht hat er die ganze Sache nur aus Abenteuerlust gemacht«, vermutete Mallory. »Er brauchte ja nur die Zustimmung einer Handvoll Männer, den Rest können sie ja gezwungen haben.«
»Klingt plausibel«, bestätigte Adams. »Aber machen wir weiter.«
Etliche Dias folgten. Eine Marinestabskarte der Île de Roc war darunter. Auf ihr waren Hafen, Hotel und das Wohnhaus von General Grant deutlich markiert. St. Pierre bestand aus nicht mehr als einem Felsen, der circa dreißig Meter aus dem Wasser herausragte und von dem neugotischen Schloß aus viktorianischer Zeit gekrönt wurde.
Mallory schüttelte verständnislos den Kopf. »Kaum vorstellbar, wie man dies verdammte Ding da draußen hat bauen können.«
Adams klärte ihn auf: »Baujahr 1861; ein industrieller Emporkömmling namens Bryant, ein bißchen größenwahnsinnig, sah sich als Herrscher der Insel. Wird ihn mehr als hunderttausend Pfund gekostet haben, den Kasten hochzuziehen; und das war echtes Geld in jenen Tagen.«
»Ich kann keine Anlegestelle entdecken. Befindet die sich auf der anderen Seite?«
»Nein, es gibt eine Felsgrotte am Fuß der Klippen. Wenn Sie ganz genau hinschauen, können Sie den Eingang erkennen. Die Anlegestelle liegt im Innern.«
Das Bild mit dem Schloß verschwand, und ein anderes erschien. Es zeigte einen vornehmen Mann mit silbernem Haar und ruhigen Augen, die aus einem sinnlichen, schmalen Gesicht blickten. »De Beaumont?« fragte Mallory.
»Ja, Philippe, Graf de Beaumont. Eine der ältesten französischen Adelsfamilien. Er ist sogar entfernt mit Sie-wissen-schonwem verwandt, was natürlich die ganze Angelegenheit noch verkompliziert.«
»Ich weiß 'ne ganze Menge über seine Karriere in der Armee. Er ist so etwas wie eine Legende bei Fallschirmjägern in der ganzen Welt«, ergänzte Mallory. »Er kam doch während des Krieges hier herüber, um sich de Gaulle anzuschließen, nicht wahr?«
»Ganz recht. Hat jede nur denkbare Auszeichnung erhalten. Später ging er nach Indochina als Colonel der Fallschirmjäger in der Kolonialarmee. Die vietnamesischen Guerillas nahmen ihn 1954 nach der Kapitulation von Dien-Bien-Phu gefangen. Nach seiner Freilassung ging er nach Frankreich zurück. Dann wurde er nach Algerien versetzt. Lag sich unablässig mit den Befehlshabern in den Haaren. Einmal hatte er während eines offiziellen Empfanges sogar eine Auseinandersetzung mit dem alten Herrn persönlich, als es um die Frage ging, was einen Krieg im modernen Sinne begründet.«
»Das hätte doch das Faß zum Überlaufen bringen und ihn den Kopf kosten müssen.«
»Tja, die haben ihn wohl gebraucht, vermute ich. Außerdem war er wirklich der allerbeste Fallschirmjägeroffizier in Algerien zu der Zeit. Er übernahm alle unangenehmen Aufträge, an denen sich die Armeeführung nicht die Finger schmutzig machen wollte.«
»Er half auch, de Gaulle wieder an die Macht zu bringen?«
»Ja. Er war einer der Wortführer in der ›Algérie Française‹Bewegung. Der General hat ihn jedoch vor den Kopf gestoßen, als er Algerien die Unabhängigkeit gewährte.«
»Und de Beaumont machte sich davon?«
»Nach General Challes fehlgeschlagenem Umsturzversuch letztes Jahr, Ob und wie er darin tatsächlich verwickelt war, entzieht sich unserer Kenntnis. Tatsache ist, daß er Frankreich verließ und von Hamish Grant die Insel St. Pierre kaufte. Das hat zu der Zeit in der französischen Presse ganz schön Staub aufgewirbelt.«
»Und seither scheint er eine weiße Weste zu haben?«
»Blütenweiß. Selbst die Franzosen können ihm nichts anhängen. Er besitzt übrigens ein Motorboot, eine Zwölf-Meter-Jacht mit Doppelantrieb. Sie heißt Fleur de Lys und ist das Beste, was zur Zeit zum Hochseekreuzen auf dem Markt ist, mit Echolot, automatischer Steuerung und einem einhundert PS DAF Dieselmotor. De Beaumont führt ein Einsiedlerleben, ist nur gelegentlich in St. Helier auf Jersey gesehen worden. Was halten Sie von der Sache?«
»Ich bin überzeugt, daß sich in ihm diese angeborene
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