Zorn des Loewen
in Algier war, 1959, hatten sie dort Akten angelegt über Leute wie Sie. Ich habe erfahren, daß Sie Waffen für die FLN aus Tanger herausbrachten. Entspricht das den Tatsachen?« Einen Moment lang machte sich nur ein Gefühl tiefer Erleichterung breit. Daß de Beaumont sich seiner aus den Tagen in Nordafrika erinnerte, war unerfreulich, aber wenigstens war sein Verhalten auf der anderen Seite der Front akzeptiert worden. Und das war die Hauptsache.
»Ist das von Belang? Meine Vergangenheit, meine ich?«
»Teufel noch mal, Mann, was Sie in Tanger gemacht haben, interessiert mich nicht im geringsten. Allerdings, was in Perak geschah, darüber möchte ich gerne mehr erfahren.«
»Und angenommen, ich sage, daß Sie das überhaupt nichts angeht?«
Der alte Mann blieb überraschend ruhig, aber Anne kam auf ihn zu und berührte Mallorys Arm. »Bitte, Neil, ich muß es wissen.«
Ihre Augen waren ganz weit, als sie zu ihm aufsah. Er wandte sich abrupt um, ging zur Terrassentür und stieg die Stufen zur Terrasse hinab. Er stand an der Mauer oberhalb der kleinen Meeresbucht im trostlosen Licht der Dämmerung. Unter ihm schienen die Lichter eines zum Meer ausfahrenden Schiffes ganz weit entfernt.
Er war müde. Jegliche Gefühlsregung war von ihm gewichen. Er war sich bewußt, daß, was immer ein Mann tat, ihn im Grunde auch immer vernichten konnte.
Schritte knirschten hinter ihm über den Kies. Als er sich umdrehte, standen Hamish Grant und Anne unten an der Treppe. Sie führte ihren Schwiegervater zu dem Tisch in der Ecke, wo sich der alte Mann in einem der Sessel niederließ. Anne trat auf Mallory zu.
Sie stand einen Augenblick neben ihm und schaute ihn lange an; ihr Gesicht lag im Schatten. Dann trat sie auf ihn zu und barg ihr Gesicht an seiner Brust. Seine Arme umfingen sie instinktiv.
Der mächtige Körper des Generals zeichnete sich scharf ab von der Nacht und dem Meer. Seine Hände lagen gekreuzt auf dem Griff des Stockes. Er saß da wie eine im Boden verwurzelte Statue aus klassischer Zeit.
»Also, Colonel Mallory«, sprach er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, »ich bin bereit.«
9
Der Schlächter von Perak
Leutnant Gregson lief nervös auf und ab, rauchte eine Zigarette und versuchte, genauso unbeteiligt zu wirken wie die Handvoll malayischer Soldaten, die im hohen Gras hockten und sich leise unterhielten. Am Rande der Lichtung hing an den Fußgelenken aufgehängt der Körper eines Mannes über der schwelenden Asche eines Feuers. Das Fleisch schälte sich von seinem Schädel.
Der Geruch war ekelerregend, so schlimm, daß Gregson glaubte, ihn zu schmecken. Er schüttelte sich vor Ekel und fragte sich, was den Colonel wohl aufgehalten haben könnte. Er war noch jung, erst zweiundzwanzig, schlank, mit kräftigen Schultern; das Gesicht unter dem roten Barett war fein geschnitten, die Augen jedoch lagen zu tief in ihren Höhlen.
Er vernahm das Geräusch des Landrovers, der sich auf dem Weg näherte, und schnippte mit den Fingern. Es war überflüssig, denn die Soldaten hatten sich augenblicklich wie ein Mann mit der ruhigen, lockeren Disziplin von Veteranen erhoben. Sie standen da und warteten. Kurz darauf bahnte sich Sergeant Tewak seinen Weg zur Lichtung, der Colonel folgte dicht dahinter.
Mallory trug das Barett der Fallschirmjäger und einen Tarnanzug, der am Hals offen war. Rangabzeichen waren nicht zu sehen. Er starrte nachdenklich auf den Körper und schlug dabei unablässig mit einem Offiziersstöckchen aus Bambus gegen sein rechtes Knie.
Dann fragte er mit gefaßter Stimme: »Wann haben Sie ihn gefunden?«
»Vor etwa einer Stunde. Ich dachte, daß Sie ihn sehen wollten, so, wie man ihn zurückgelassen hat.«
Mallory nickte. »Überlassen Sie Sergeant Tewak die Sache hier. Er kann die Leiche in Ihrem Landrover nach Maluban bringen. Sie können mit mir zurückfahren.«
Er wandte sich schroff ab und schritt wieder auf den Dschungel zu. Gregson gab Tewak die nötigen Befehle und folgte. Als er den Landrover erreichte, saß Mallory schon am Steuer. Gregson schwang sich auf den Beifahrersitz.
Der Colonel startete hastig den Wagen. Gregson zündete sich eine Zigarette an und sagte mit Bedacht zu dem Mann neben sich: »Ich hoffe, daß Sie sich in keiner Weise irgendwelche Vorwürfe machen, Sir.«
Mallory schüttelte den Kopf. »Er war ein guter Soldat, und er wußte, welches Risiko er einging. Wenn sie ihn bei sich
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