Zorn: Thriller (German Edition)
gerade eine leichte Operation«, sagte sie mit einem leichten Seufzen. »Aber Marina Ivanova wird überleben. Sie haben ihr das Leben gerettet.«
Nun seufzten auch die anderen. Allerdings vor Erleichterung.
»Aber wir haben schließlich auch ihr Leben aufs Spiel gesetzt«, meinte Chavez.
»Sie haben es jedenfalls gut kompensiert«, entgegnete die Ärztin mit einem dezenten matten Lächeln. »Das Messer hat Teile der Bauchmuskulatur ziemlich zerstört, da es mit erheblicher Krafteinwirkung seitlich bewegt wurde, als hätte jemand es daran gehindert, bis ins Herz vorzudringen. Der Blutfluss wurde übrigens mit einer noch nie zuvor gesehenen Methode gestoppt, die dazu führte, dass wir eine ganze Reihe von Haaren aus ihrem Körper entfernen mussten. Schwarze Haare.«
Chavez schnaubte und fragte: »Gibt es hier die Möglichkeit zu duschen?«
Die Ärztin lächelte gekünstelt und antwortete: »Das hier ist ein Krankenhaus und keine Badeanstalt.«
Sie starrten die Frau so lange an, bis sie erklärte: »War nur ’n Witz. Ich werde dafür sorgen, dass die Nachtschwester mit einem Handtuch kommt und Ihnen den Weg zur Dusche zeigt. Und wie geht es mit der Hand?«
Söderstedt realisierte ziemlich spät, dass die Frage ihm galt: »Es ist ein besonders energieeinflößender Schmerz«, erwiderte er.
»Drei gebrochene Finger«, entgegnete die Ärztin skeptisch. »Wie kann das energieeinflößend sein?«
Arto Söderstedt betrachtete seine eingegipste Hand und meinte dann: »Die Hand gemahnt zum Widerstand. Nicht nur zu Protest.«
Zweifel
Den Haag, 26. Mai
Manchmal wünschte Paul Hjelm sich, dass die Fenster seines Chefbüros Venezianische Spiegel hätten und er die Opcop-Gruppe in der Bürolandschaft heimlich beobachten könnte, ohne selbst gesehen zu werden. Er fragte sich, ob sich ihm dann ein anderer Anblick bieten würde als der jetzige.
Dort draußen herrschte eine eigentümliche Atmosphäre. Eine gewisse Enttäuschung über die Ereignisse der vergangenen Nacht in Stockholm war natürlich. Ebenso die Frustration darüber, dass der Fall weiterhin unaufgeklärt war. Und verständlicherweise waren die Gruppenmitglieder darüber verstimmt, dass sie nicht selbst dabei sein und den Ausgang der Dinge beeinflussen konnten. Aber da war noch etwas anderes. Hjelm konnte es nicht genau definieren, aber liefen die Mitglieder der Opcop-Gruppe da draußen nicht ein wenig irritiert herum?
Paul Hjelm spürte die Irritation selbst, obwohl dieses Gefühl bei ihm von dem Eindruck überschattet wurde, einen Fehler begangen zu haben. Hätte der Einsatz auf Långholmen nicht besser organisiert werden müssen? Es war zwar die richtige Entscheidung gewesen, die Stockholmer Polizei nicht hinzuzuziehen – denn dann wäre die Existenz der Opcop-Gruppe definitiv allgemein bekannt geworden –, aber war es wirklich nötig gewesen, Marina Ivanova in diese Zelle zu schicken? Sie hatten die Frau unnötig in Lebensgefahr gebracht. Hinzu kam, dass vorab bei der Durchsuchung des Hotelzimmers höchst nachlässig gearbeitet worden war. Eine keineswegs zufriedenstellende Arbeit gerade jener Polizisten, denen er am meisten vertraute.
Und die jetzt, zumindest einige von ihnen, in die Wildnis unterwegs waren, um ihre Fehler wettzumachen. Hjelm hatte Söderstedts Anfrage stattgegeben – auch wenn sie kaum eine Anfrage gewesen war, denn den Chef zu fragen war nicht gerade Artos Ding – und ihm bei der russischen Polizei, so gut es ging, den Weg geebnet. Ebenso Jorge und Sara. Die Russen hatten aus irgendeinem Grund nur eine Gruppe von maximal drei EU-Polizisten akzeptiert, was Hjelm einen Seufzer der Erleichterung entlockt hatte. Ohne zu zögern, hatte er sich gegen Kerstin entschieden, und das nicht nur, weil sie in Stockholm jemanden vor Ort benötigten, sondern auch, weil er seine Lebenspartnerin nicht mit einem solchen Auftrag losschicken wollte. Offiziell dazu befragt, würde er diesen Grund natürlich leugnen, aber auch vor sich selbst gestand er ihn nicht ein.
Andererseits hatten diejenigen, die er jetzt losgeschickt hatte, insgesamt sieben Kinder, und wenn Sara und Jorge etwas zustoßen sollte, wären Isabel und Miguel Vollwaisen. Man durfte niemals die Konsequenzen seiner Arbeitsentscheidungen außer Acht lassen ...
Die Russen waren extrem entgegenkommend gewesen und hatten den Europolpolizisten einen Hubschrauber sowie ein verblüffend großes Waffenarsenal zur Verfügung gestellt. Die Voraussetzungen waren aber glasklar: Zieht die Aktion
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