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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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bemerkte Jutta Beyer von ihrem Schreibtisch aus, an dem sie ohne Arto Söderstedt etwas verloren wirkte.
    »Und worüber grübelst du, Jutta?«, fragte Kowalewski.
    »Über Professor Udo Massicotte«, antwortete Jutta Beyer.

Monte Christo
Nasino, Sibirien, 27. Mai
    Während die trostlose gleichförmige Landschaft unter ihren Füßen dahinglitt, befühlte Arto Söderstedt mit seiner gesunden linken Hand seinen gesunden rechten Oberarm über dem kompakten Gips. Es war das erste Mal, dass er die Zeit hatte, über diese Bedrohung, ja gleichsam dieses Versprechen, nachzudenken, dass dieser letzte Biss aus Arto Söderstedts eigenem rechten Arm stammen würde. Dieser Biss, der höchstwahrscheinlich dafür sorgen würde, dass all das Fleisch von Dedas rechtem Arm wieder zurückgeholt wäre. Söderstedt befühlte mit seiner feinmotorisch intakten linken Hand ein wenig seinen Trizeps, der noch nie besonders ausgeprägt gewesen war. Aber er wollte dennoch nicht, dass ein großer Teil desselben in Viktor Larssons groteskem Fleischbehälter landen würde; er wollte nicht erleben müssen, wie die irrwitzige Greifzange ihre messerscharfen Zähne in seine Muskelmasse bohrte, wie auch immer sie beschaffen war.
    Er wollte Viktor Larsson auf Gedeih und Verderb Einhalt gebieten.
    Denn irgendetwas an der Art dieses Viktor Larsson machte ihn extrem zornig. Es war nicht allein die Tatsache, dass Söderstedt laut Larssons Aussage bereits seit Jahren auf dessen verdammter Liste stand – dieser Idiot hatte nicht die geringste Ahnung, wie sehr sich seine politische Einstellung im Lauf der Jahre gewandelt hatte. Er verabscheute Larsson noch aus viel schwerwiegenderen Gründen. Hauptsächlich, weil er ihn reingelegt hatte, Arto Söderstedt in die Falle gegangen war. Vor allem aber, weil ihm Viktor Larssons Auftreten schlicht und einfach zuwider war.
    »Ich will mein Messer zurückhaben.«
    Das klang nach einer Kombination aus aufmüpfiger Heulsuse und pathetischem Prahler. Aufschneiderische Serienmörder waren wirklich das Schlimmste. Diese vermeintlich selbstsichere Art, die für ihn in hohem Maße ideologischem Dogmatismus entsprang. Nicht zuletzt erinnerte dieses Auftreten Söderstedt aber an seine Jahre als Rechtsanwalt der Superreichen in Vaasa in Finnland. An diese selbstsicheren Egoisten, für die er in dieser Zeit gearbeitet hatte, würde er in seinem ganzen Leben nie wieder denken können, ohne vor Scham zu erschaudern.
    Der Nachteil an der Zeit zum Nachdenken war, dass sich die Realität immer stärker aufdrängte. Und diese Realität brachte Arto Söderstedt eindeutig zu der Erkenntnis, dass sein Leben ernsthaft in Gefahr war. Dass Viktor Larsson zu den gefährlichsten Menschen gehörte, denen er bislang begegnet war. Und sie absolut wirksame Gegenmaßnahmen treffen mussten.
    Sobald er in der »Einzelzelle« wieder auf den Beinen hatte stehen können, also lange nachdem die Rettungssanitäter Marina Ivanova abtransportiert hatten, hatte er das verdammte Messer genommen, draufgespuckt und es auf dem Rückweg von Långholmen in einen Müllcontainer geworfen. Nicht gerade professionell, aber er verachtete dieses Werkzeug über die Maßen, mit dem auf so feige Art und Weise neun Menschen ermordet worden waren und ein weiterer schwer verletzt. Er war sich fast sicher, dass Kerstin Holm das Messer wieder aus dem Container gefischt hatte, aber er hatte seinem Zorn Luft machen müssen. Deutlich machen, dass er auf die kleinen Fetische dieses autistischen Spinners pfiff. Dass er nicht nur auf sein Messer und seine verrückte Zange und seinen ekelhaften, mit Fleisch gefüllten Glasbehälter sowie seine pathetische Waage pfiff, sondern ebenfalls auf seine kleingeistigen Zitate aus dem Grafen von Monte Christo . Die er sowieso nur von seiner ehemaligen Freundin übernommen hatte.
    Ja, Serienmörder waren schlicht und einfach erbärmlich.
    Aber eben auch verdammt gefährlich.
    Also ging es darum, schlauer zu sein. Genau das: schlauer.
    Die Landkarte mit der kleinen Insel Nasino im Fluss Ob lag zwischen ihnen im Hubschrauber ausgebreitet. Sie hatten ziemlich schnell festgestellt, dass man aus der Karte eigentlich keine entscheidenden Schlüsse ziehen konnte. Aber sie hatten sich zumindest die Lage der Insel eingeprägt und den Weg vom Landeplatz bis dorthin.
    Den Landeplatz hatte der Hubschrauberpilot ausgewählt. Die klare Direktive lautete: so nahe wie möglich heranzufliegen, ohne dass der Hubschrauber von Nasino aus zu hören oder zu

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