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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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sehen wäre – falls Viktor Larsson sich dort befand. Der Pilot hatte dementsprechend einen Punkt ermittelt, der vier Kilometer von der Insel entfernt lag. Vier Kilometer durch die Tundra oder bewaldete Tundra oder Taiga, oder wie auch immer man diese groteske beschissene Moränenlandschaft nun bezeichnen sollte.
    Ja, er war sauer. Arto Söderstedt war aufgebrachter, als er es in der letzten Zeit je gewesen war. Dieser Mann musste gefasst werden. Wie selbstlos seine Motive auch sein mochten, er war jedenfalls eine elende verdammte Null.
    Söderstedt war so aufgebracht, dass er nicht einmal auf den Gedanken kam, flugkrank zu werden. Er musterte Chavez und Svenhagen. Sie saßen da und hielten Händchen; Sara war noch etwas blasser im Gesicht als Jorge. Was für eine mittelmäßige Einsatztruppe sie doch abgaben. Und dennoch waren sie diejenigen, die Viktor Larsson festnehmen sollten, mit gebrochenen Fingern und Händchen haltend. Ausgerechnet mit gebrochenen Fingern. Söderstedt warf einen Blick auf seine dick eingegipste rechte Hand und schüttelte den Kopf.
    Plötzlich sank der Hubschrauber steil nach unten und schwebte dann nur noch knapp hundert Meter über dem Boden. Das war das Zeichen dafür, dass sie sich ihrem Flugziel näherten. Die letzten zwanzig Kilometer würden sie in geringer Höhe fliegen, so war es abgemacht. Der Pilot steuerte den Hubschrauber mit einem Pokerface über die Baumwipfel. Sie näherten sich der sumpfigen Landschaft.
    Es war früher Nachmittag, und in den meisten Ländern der Nordhalbkugel war es Frühsommer. Hier jedoch nicht. Hier herrschte eine Art ewiger Spätherbst. Die Temperaturen lagen kaum über null Grad, eine Moränenlandschaft mit schmuddelig grauen Nadelwaldflecken. Diejenigen, die damals auf Flößen von Nasino geflohen waren – und das waren einige –, hatten ihren nicht gerade beneidenswerten Tod in dieser Landschaft gefunden. Die der Welt nach einer Atomkatastrophe glich. Der Welt in Andrei Tarkowskis Stalker . Die Leichen der verzweifelten Flüchtlinge von Nasino lagen bestimmt immer noch hier und wurden als Moorleichen für die Nachwelt konserviert.
    Irgendwo dort unten im Morast entdeckte der Hubschrauberpilot eine feste ebene Fläche. Dorthin steuerte er den Hubschrauber. Währenddessen sortierten die drei Polizisten ihr Gepäck inklusive des aufblasbaren Schlauchboots in Chavez’ Rucksack und überprüften ihre am Vortag getesteten russischen Pistolen.
    Hätten sie ein wenig mehr Zeit gehabt, hätten sie sich bestimmt über das Entgegenkommen der russischen Polizei gewundert. Aber sie hatten keine Zeit.
    »Ich warte hier, bis ich wieder von Ihnen höre«, sagte der Hubschrauberpilot, als das Dröhnen der Rotoren abgeebbt war. »Vergessen Sie das Satellitentelefon nicht. Kein Handynetz hier, wie Sie wissen.«
    Sie nickten und machten sich auf den Weg.
    Die Richtung zu finden war nicht gerade schwer – zumindest theoretisch –, sie mussten eigentlich nur dem dunklen erbarmungslosen Strom des Wassers folgen. Doch in der Praxis erwies sich das als weitaus schwieriger. Denn das Ufer war keineswegs geradlinig und leicht zugänglich. Das Gestrüpp dort war undurchdringlicher, als sie es von oben eingeschätzt hatten, die Steine rutschiger und der Morast zäher. Auch das Wasser war kälter als gedacht.
    Entlang des Flusses erstreckte sich eine erbarmungslose Landschaft. Eine Landschaft des Todes. Kein einziges Tier war zu sehen, nicht ein auffliegender Vogel, der den eintönigen grauen Himmel durchschnitten hätte, kein einziges Insekt schien der Kälte zu trotzen. Nur das Donnern des Flusses war zu hören, der angeschwollen war vom Schmelzwasser aus dem Altaigebirge, das sich hinunter in Richtung des Nördlichen Eismeers wälzte.
    Während sie mühsam Schritt für Schritt die vier Kilometer zurücklegten, wurde es zunehmend dunkler. Nach einer knappen Stunde nahm Söderstedt die Karte zur Hand. Svenhagen und Chavez halfen ihm, sie zu entfalten, und beugten sich darüber.
    »Die Insel müsste hinter dieser Bucht liegen«, vermutete Söderstedt und fuhr mit seinem Finger den Fluss entlang, bis er um eine Felskante bog.
    »Wir werden in ungefähr hundert Metern von dort aus zu sehen sein«, erklärte Chavez. »Auch wenn er nicht wissen kann, aus welcher Richtung wir kommen. Oder von welcher Uferseite.«
    »Es handelt sich wie gesagt um eine einsame Insel«, meinte Svenhagen. »Er kann beliebig oft hier gewesen sein und alles vorbereitet haben. Möglicherweise hat er

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