Zorn: Thriller (German Edition)
ausfindig zu machen. Er und Dahlberg haben gemeinsam an einem Genforschungsprojekt am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf gearbeitet, das so erfolgreich war, dass beiden eine Stelle an der UCLA angeboten wurde. Dedrick blieb dort, während Dahlberg weiter nach Seattle wechselte. Wir müssen überprüfen, ob sie eventuell auch gemeinsam freigestellt wurden. Während der Freistellungen hielten sie sich offenbar in Europa auf.«
»Freut mich, dass du so auf Zack bist, Felipe. Aber jetzt musst du zurückkommen. Wenn du einen Direktflug nach Schiphol erwischst, dauert es zehn Stunden.«
»Ich werde auf jeden Fall den gesamten Flug über schlafen«, entgegnete Navarro und trat in den strömenden Regen hinaus.
Seine beiden Füße waren fest mit seinen Beinen verbunden.
Kruzifix
Den Haag – Paris, 30. Mai
Der 30. Mai war ein Sonntag, und eigentlich hätte das Europolgebäude verlassen daliegen müssen. Und die Opcop-Gruppe hätte draußen in der Natur sein sollen, ausgiebige Spaziergänge am Strand unternehmen und die herrliche klare Meeresluft genießen müssen. Die Mutigsten hätten ein erstes Bad im Atlantik genommen. Vermutlich Kowalewski, dachte Hjelm und schaute in die Bürolandschaft hinaus. Doch sie waren alle da, außer Söderstedt und Navarro, alle arbeiteten hart. Hin und wieder kamen sie mit diversen Neuigkeiten zu ihm ins Büro – oder auch, weil es keine gab –, und er fühlte sich immer mehr wie ein Behördenleiter. Der Mann, der nur noch Schriftstücke abzeichnete.
Der Mann, der nicht schlief, aber alles abzeichnete.
Gerade war Jutta Beyer bei ihm gewesen und hatte berichtet: »Den Wanderer Winfried Baumbach aus Wolfsburg gibt es nicht. Nirgends, nicht der geringste Eintrag im Register, auch keine Kreditkartenzahlung.«
»Aber du hast seinen Ausweis gesehen?«
»Ja«, antwortete Beyer. »Er wirkte echt. Aber es muss definitiv eine Fälschung gewesen sein. Eine Identität, die niemals in anderen Zusammenhängen benutzt worden ist. Ohne jegliche Spuren.«
»Und sein Deutsch war einwandfrei?«
»Absolut«, antwortete Beyer. »Mit leichtem Ruhrpottdialekt, aber fehlerfrei.«
»Und nicht ein einziger weiterer Hinweis aus eurem Gespräch?«
»Es war ziemlich kurz und nichtssagend. Ich hatte unmittelbar den Eindruck, dass er unschuldig ist.«
»Also kann er sich gut verstellen«, meinte Hjelm. »War er auch gut aussehend?«
»Gut aussehend?«
»Ja. Attraktiv, sexy?«
»Ich bevorzuge ältere Männer«, entgegnete Beyer und machte auf dem Absatz kehrt.
Kurz darauf rief Hjelm Angelos Sifakis zu sich herein. »Keine Verbindungen zwischen Isli Vrapi und der NATO?«, fragte er.
»Also, Vrapi ist in seiner tödlichen Branche jahrelang unbeschadet geblieben, weil er sich nahezu unsichtbar gemacht hat. Es ist schwierig, irgendwelche Anhaltspunkte zu finden. Offenbar wurde immer in bar bezahlt. Und die geheime Sektion der NATO legt auch nicht gerade elektronische Spuren aus.«
»Okay«, sagte Hjelm. »Eigentlich wollte ich mit dir aber etwas anderes besprechen.«
»Aha«, entgegnete Sifakis und wirkte leicht irritiert.
»Warum hat unser Mörder das Risiko auf sich genommen, als Entdecker des Mannes aufzutreten, den er selbst ermordet hat?«
Sifakis blinzelte ein paarmal, dann antwortete er: »Mein erster Gedanke ist, dass er schauen wollte, wer wir sind, denn auf diese Weise bekam er ja die Gesichter diverser Polizisten zu sehen, nicht zuletzt das des Chefs. Ist doch klar, dass er aus der Zelle gelugt hat, in der er wartete, und euch beobachtet hat. Es war ja offensichtlich, wer von dieser Hubschrauberbesatzung der Chef war.«
»Aber er hätte sich auch im Gelände anschleichen können.«
»Das Risiko, entdeckt zu werden, wäre zu groß gewesen. So konnte er uns ungestört beobachten. Ziemlich clever, wenn man es überdenkt.«
»Gut.« Hjelm nickte. »Denkbar. Meinst du, dass er herausfinden konnte, wer wir genau sind?«
»Er hat zumindest Brunos und Beyers Namen erfahren, also die von denjenigen, die mit ihm gesprochen haben. Aber das dürfte unbedenklich sein. Ich glaube, dass er mehr an den Gesichtern interessiert war. Um uns wiederzuerkennen, wenn wir uns ihm nähern sollten.«
Hjelm nickte und entließ Sifakis wieder in die Bürolandschaft. Daraufhin kam Kowalewski hereingetrottet.
»Hat der Chef einen Augenblick Zeit?«
»Wenn es um etwas Wichtiges geht.«
»Ich habe da eine Idee. Befindet sich die Leiche von Lars-Erik Dahlberg noch im Kühlraum?«
»Ich nehme es an. Die
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