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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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unterzogen und erlernten die Kunst, die Schwächeren mit Füßen zu treten, ohne dabei das Geringste zu empfinden. Dort lernte man auch, wie vielversprechend es war, gigantische Boni einzukassieren, während die Hälfte der Belegschaft geschasst wurde. War es möglich, diese hocheffektiven Einflüsse durch genetische Veränderungen zu ersetzen?
    Wie sah es damals, Ende der Siebzigerjahre, aus, als die NATO – wenn sie es nun tatsächlich gewesen war – die Bildung dieser Sektion erwogen hatte? Damals ließ das Gleichgewicht des Schreckens die Menschen zittern. Zwei Fronten richteten eine zunehmende Anzahl kaum kontrollierbarer Atomwaffen aufeinander. In den USA war Ronald Reagan auf dem besten Wege, die Macht zu ergreifen, und ein wirtschaftliches Denken, das man »Neoliberalismus« nannte, gewann zunehmend an Einfluss. Man forderte, dass sich die Staatsmacht darauf beschränken sollte, die innere und äußere Sicherheit des Landes aufrechtzuerhalten. Alle anderen Aufgaben würden in private Hände gegeben.
    Doch beim Militär sparte man kaum an öffentlichen Mitteln. Reagan trug zum Fall des Kommunismus bei, indem er das Tempo des Wettrüstens auf ein Niveau hochschraubte, dem die sowjetische Wirtschaft nicht gewachsen war. Der Kapitalismus setzte sich mit reiner Finanzkraft durch. Staatlich unterstützt.
    Zu Beginn dieser Epoche ruft die NATO die Sektion ins Leben. Man versammelt die Spitzenkräfte der medizinischen Wissenschaft: drei Genetiker, Vacek, Dahlberg und van der Sanden, einen Neurologen, Hamilton, und einen Arzt für plastische Chirurgie, Massicotte. Für die perfekte Leitfigur stellt man sich eine Mischung aus militärischem Befehlshaber und Konzernchef vor. Man will keinen Demokraten, sondern einen tatkräftigen Demagogen, dem humanistische Fragen vollkommen egal sind.
    Für einen kurzen Augenblick musste Paul Hjelm über die beiden Weltanschauungen nachdenken, die in der betreffenden Nacht im stillgelegten Gefängnis La Mortola auf Capraia abgestraft worden waren. Auf der einen Seite ein machtgieriger Unterdrückerstaat, der seine Bürger, ohne zu zögern, in den Tod schickte. Auf der anderen ein Militärbündnis, das keine Hemmungen hatte, mit seinen Bürgern zu experimentieren, um sie weniger mitfühlend, also, wenn man so will, »neoliberaler« zu machen. Und beide hatten versagt.
    Beide Systeme provozierten eine verzögerte Hassreaktion, wie es bei Unrecht oft der Fall ist. Viktor Larsson hatte Kommunisten umgebracht, um seinen Großvater zu rächen. Und Winfried rächte sich dafür, dass man an ihm herumexperimentiert hatte. Er ermordete ein Mitglied nach dem anderen aus der NATO-Sektion, die ihn erschaffen hatte.
    Mitten in seine wenig erbaulichen Überlegungen platzte Corine Bouhaddi herein. Es war lange her, dass er sie so enthusiastisch erlebt hatte. In letzter Zeit hatte sie ziemlich bedrückt gewirkt, aber jetzt schien sie ihr inneres Gleichgewicht wiedergefunden zu haben. Wenn nicht noch mehr. Die Worte sprudelten förmlich aus ihr heraus: »Ich glaube, ich habe einen Treffer gelandet.«
    »Einen Treffer?«, fragte Hjelm.
    »Ich bin mir nicht ganz sicher«, antwortete Bouhaddi. »Brauchst du vielleicht ein wenig Unterstützung bei der Deutung der Sachverhalte?«
    »Ja, gerne«, antwortete Hjelm erwartungsvoll.
    »Dezember 1988 in Maskat, Oman. Internationaler Ärztekongress zum Thema ›Die menschliche Chemie‹. Einer der unzähligen Programmpunkte heißt ›Homunculus? – Von der Möglichkeit, den künstlichen Menschen zu erschaffen‹. Auf dem Podium waren drei Redner: Roman Vacek, Dedrick van der Sanden und ein französischer Chemiker namens Pierre Rigaudeau. Wenn man separat nach diesem Pierre Rigaudeau sucht, taucht sein Name zusammen mit ... rate mal, mit wem, auf?«
    »Bitte keine Ratespielchen«, entgegnete Hjelm. »Aber du hast meine volle Aufmerksamkeit.«
    »Mit Massicotte. Rigaudeau und er stehen als Gäste auf einer Hotelrechnung vom November 1983, zu dem Zeitpunkt waren Vacek, Hamilton und van der Sanden freigestellt. Das Hotel ist in Nizza.«
    »Hôtel Palais de la Méditerranée?«, fragte Hjelm.
    »Woher weißt du das denn?«, rief Bouhaddi aus.
    »Auf dieses Luxushotel sind wir schon einmal gestoßen. Vacek, Hamilton und Dahlberg haben dort 1980 ihren Aufenthalt mit Kreditkarte bezahlt.«
    »Oh, verdammt«, meinte Bouhaddi.
    »Also Massicotte war auch dort? Super, Corine. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass er zu dieser Sektion gehörte. Erzähl mir mehr

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