Zorn: Thriller (German Edition)
langweiliger Bulle bei Europol – und verliert den Kontakt zu seinem besten Freund. Und jetzt taucht ihr hier auf und nehmt parallel zu den Ermittlungen der Stockholmer Polizei eigene auf. Kann es sein, dass ihr Viggo Norlander unterschätzt? So etwas soll durchaus schon vorgekommen sein ...«
»Wir haben unsere Anweisungen«, entgegnete Chavez steif.
»Mach dich nicht lächerlich, Jorge. Du bist doch sonst nicht so. Nein, welchen Sinn hat es denn, die Fakten einem unbedeutenden Rentner zu verheimlichen, dem es ein paar Jahre gelungen ist, den Krebs abzuwehren, und der irgendwann im himmlischen Chaos seines Familienlebens dahinscheiden wird? Es ist besser, wenn ihr es mir erzählt, denn dann kann ich den Kontakt zu Arto wiederaufnehmen. Und ihm noch einmal ›Halt die Klappe‹ sagen. Diesmal aber richtig.«
Jorge und Kerstin warfen einander einen Blick zu. Jorge machte eine kleine Geste, die, obwohl sie diskret war, signalisierte: »Du bist die Chefin.«
Kerstin Holm war in der Tat die Chefin, und zwar von der gesamten schwedischen Einheit. Die aus drei Personen bestand und sie zur Chefin über zwei Personen machte. Sie fasste einen Entschluss, und zwar schneller, als sie es selbst erwartet hätte. »Wir sind streng geheim«, erklärte sie.
»Aha, also streng geheim«, wiederholte Viggo Norlander. »Aber darauf scheiße ich. Ihr wisst, dass ihr euch hundertprozentig auf mich verlassen könnt. Meine einzige Ambition besteht darin, dass ich mich noch einmal ernsthaft mit Arto unterhalten möchte. Und außerdem will ich hier und jetzt verstehen, was ihr eigentlich genau treibt. Denn das hier ist ein Fall für die Stockholmer Polizei. Und die arbeitet mit Interpol zusammen. Dass Europol eingeschaltet wird, könnte ich nachvollziehen, wenn es dort eine operative Gruppe gäbe. Aber die gibt es ja nicht.«
»Ich finde es richtig schön, wenn ein Schwede den Konjunktiv benutzt«, warf Jorge Chavez ein. »Also ein verrückter urschwedischer Schwede wie Viggo Norlander.«
»Mein Vater war Däne«, entgegnete Norlander.
»Und Viggo bedeutet Krieger«, sagte Chavez. »Ich weiß.«
»Es gibt eine operative Testeinheit bei Europol«, erklärte Kerstin Holm unmissverständlich. »Paul Hjelm leitet sie, und Arto Söderstedt gehört dazu. Jorge, Sara und ich, wir sind ebenfalls Mitglieder, allerdings hier in Schweden. Keiner von uns darf darüber reden. Und wir tun es jetzt auch nur, weil wir weit entfernt sind vom Polizeigebäude und hier nicht das Risiko besteht, abgehört zu werden. Wenn du aber irgendjemandem gegenüber auch nur ein Wort darüber verlierst, riskieren sowohl Jorge als auch ich eine Gefängnisstrafe. Ist das klar, Viggo?«
Viggo Norlander zwinkerte etwas debil und antwortete: »Ja.«
»Okay«, sagte Kerstin Holm mit Nachdruck. »Und was stimmt nicht an der Theorie der Stockholmer Polizei?«
»Kleinkriminelle müssten eigentlich zu Isli Vrapi aufschauen, anstatt ihn zu erschießen. Sie müssten beide Beine dafür opfern wollen, einer seiner Leibwächter werden zu dürfen. Obwohl sie ohne Beine noch geringere Chancen bei ihm hätten. Aber um das zu kapieren, sind sie nicht clever genug.«
»Und dennoch waren es offenbar Kleinkriminelle, die geschossen haben. Aber warum?«
»Nach all den Jahren in der A-Gruppe denken wir recht ähnlich«, stellte Norlander fest, »ihr und ich. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass dieses Gerede von der ›Herausforderung‹ und dem ›Mafioso‹ ziemlich sonderbar ist. Aus welchem Grund kommt eine Vorortgang mit dem für Kneipenschlägereien berüchtigten Taisir Karir auf die Idee, einen weltweit führenden Waffenhändler zu erschießen? Weil es eine verdammt große ›Herausforderung‹ ist? Wohl kaum.«
»Sondern aus welchem Grund?«
»Keine Ahnung. Ich habe noch keine Möglichkeit gehabt, darüber nachzudenken. Immerhin leide ich unter einer schweren Gehirnerschütterung. Ich war bewusstlos. Aber ihr hattet alle Möglichkeiten. Was glaubt ihr denn?«
»Weiß nicht«, antwortete Jorge Chavez. »Aber irgendetwas daran ist faul.«
»Gute Tiefenanalyse«, befand Viggo Norlander.
»Offenbar war es gar nicht Taisir Karir, der Isli Vrapi erschossen hat«, bemerkte Kerstin Holm, »bei ihm wurde keine Waffe gefunden. Natürlich kann sich einer seiner Kumpels – oder der Leibwächter, der ihn erschossen hat – die Waffe geschnappt haben, als Karir tot auf der Straße lag. Aber höchstwahrscheinlich war es einer der anderen vier ›Kleingewachsenen‹, der den
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