Zorn: Thriller (German Edition)
plausibel.«
»Also was sonst?«
»Wir dürfen vermutlich die Tatsache nicht unterschätzen, dass er Kommunist war«, antwortete Söderstedt. »Und zwar in einer der wenigen salonfähigen und gut funktionierenden kommunistischen Parteien Europas. Nämlich in der tschechischen.«
»Und aus welchem Grund spielt seine politische Gesinnung eine Rolle?«, fragte Hjelm.
»Machst du jetzt etwa einen auf Sokrates? Lösungsfindung im Dialog?«
»Wenn du so willst. Warum also?«
»Vielleicht, weil er Verschwörungstheorien zugeneigt ist. Und sich deswegen leichter anlocken lässt, wenn man ihm vorgaukelt, es ginge darum, die kapitalistische Weltherrschaft zu stürzen. Vielleicht wurde ihm etwas in der Richtung angeboten.«
»Also müssen wir Vaceks Angehörige vernehmen und seine Computer, Handys und so weiter überprüfen. Schaut, ob es Hinweise darauf gibt, dass er vorhatte herzukommen, und warum. Noch andere Theorien?«
»Sex?«, schlug Bouhaddi vor. »Der stärkste Trieb eines jeden Mannes.«
»Eine möglicherweise etwas unfaire Beurteilung«, entgegnete Hjelm neutral. »Aber es fällt in dieselbe Kategorie. Überprüfen. Noch etwas?«
»Ich glaube, dass man ihn hergelockt hat«, antwortete Donatella Bruno. »Das ist der einzige Grund dafür, weshalb er hier gewesen sein könnte. Der Anzug deutet darauf hin, dass er nicht bis hier heraufgelaufen ist, immerhin handelt es sich um eine Wanderung von ein paar Stunden von der Stadt aus. Wenn man Paese denn als Stadt bezeichnen kann.«
»Also absolut wichtig, Vernehmungen in Paese durchzuführen«, sagte Hjelm. »Auf der Insel wird es ja wohl nicht gerade Taxis in rauen Mengen geben.«
»Ich habe darüber nachgedacht, seit wir hier angekommen sind«, sagte Söderstedt. »Zwei Carabinieri-Streifen? Hier?«
»Sie haben heute Morgen mit der Fähre übergesetzt«, antwortete Bruno matt. »Und ich muss hinzufügen, gegen meinen Willen. Euch ist doch bestimmt nicht entgangen, wie neugierig die Kollegen um uns herumschwirren, oder?«
»Das bedeutet also, dass es möglich ist, auch mit dem Wagen bis hier herauf zum Gefängnis zu fahren?«
»Es geht, aber es ist beschwerlich. Wenn irgendjemand Vacek gestern Abend gefahren hat, werden wir ihn ausfindig machen.«
»Schon wieder ihn«, bemerkte Bouhaddi. »Er.«
»Vacek hat sich also hier mit jemandem verabredet«, fasste Hjelm zusammen. »Allem Anschein nach mit seinem Mörder. Und dann?«
»Die Taschenlampe«, antwortete Söderstedt. »Er stand hier drinnen und hat gewartet. Die Taschenlampe sieht nagelneu aus. Es würde mich nicht wundern, wenn er sie eigens für diesen Anlass gekauft hätte. Damit sie auf keinen Fall versagt.«
»Dementsprechend müssen wir also auch noch Kontoauszüge und Kreditkartenbelege prüfen«, sagte Hjelm. »Merkt sich einer von euch, was wir sagen?«
»Ich nehme es auf«, antwortete Corine Bouhaddi und hielt ihr iPhone hoch. »Das habe ich mir beim Chef abgeguckt.«
Als sie von besagtem Chef lediglich einen verwirrten Blick erntete, verdeutlichte sie: »Letztes Jahr. In London. Falls der Chef sich erinnert.«
Hjelm lachte, und seine Lachsalve hallte durch die alte Gefängniszelle.
»Ausgezeichnet«, merkte Söderstedt teilnahmslos an. »Aber um auf den Punkt zurückzukommen. Sie hatten ein bestimmtes Lichtsignal vereinbart. Aus diesem Grund hat er die extrem luxuriöse Leuchtdiodenlampe Fenix TK10 gekauft. Damit sie nicht im falschen Moment blinkt.«
»Steht er in dem Moment denn schon hier drinnen?«, fragte Hjelm. »Und blinkt nach draußen?«
»Er riskiert es, die Fenix in die Fensternische zu legen, als sein Gegenpart hereinkommt. Denn er ist bereits seit einer Weile hier und hat sich mit der Umgebung vertraut gemacht. Er fühlt sich offenbar sicher.«
»Und dann geschieht der Mord?«
»Ja, ich könnte mir vorstellen, dass es recht schnell gegangen ist. Sein Gegenpart kann Vacek letztlich nicht das bieten, was er ihm vorgegaukelt hat. Und er kann es auch nicht lange verschweigen. Möglicherweise setzt der Mörder sowohl das Gift als auch das Messer ein, weil er bereits im Voraus weiß, dass er es mit einem groß gewachsenen Mann zu tun hat. Vielleicht ist er selbst nicht besonders groß.«
»Sehr gut. Können wir noch mehr herausfinden?«, fragte Hjelm. »Haben wir vielleicht etwas übersehen?«
In der Gefängniszelle wurde es für eine Weile still. Als warteten alle darauf, dass irgendjemand etwas sagte.
Es war schließlich Donatella Bruno. Sie gab den anderen ein wenig Zeit,
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