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Zorn: Thriller (German Edition)

Zorn: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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zurück.
    »›Aber wir kamen zu dem Schluss, dass das politische Denken noch einen Schritt weitergehen musste.‹«
    »Ja, wie gesagt, die Soziologie reichte irgendwie nicht aus.«
    »Aber wer ist ›wir‹?«
    »Mein Verlobter und ich«, antwortete Ivanova. »Wir hatten schon drei Semester lang zusammen studiert, verschiedene Fächer. Praktische Philosophie war unser viertes gemeinsames Semester.«
    »Und wie ließ sich das mit Ihrer erotischen Reise in die Provence mit dem ›Roten Didde‹ vereinbaren?«, fragte Sara Svenhagen.
    »Gar nicht«, antwortete Ivanova. »Aus diesem Grund haben wir zwei verschiedene Flüge von Landvetter aus genommen. Didde und ich haben uns dann auf sicherem Boden in Kopenhagen getroffen. Ich habe meinem Freund gesagt, dass ich mit einer Jugendfreundin aus Stockholm eine Charterreise gebucht hätte.«
    »Und Ihr Freund hat Ihnen geglaubt?«
    »Ich denke schon«, antwortete Ivanova und wirkte jetzt bedeutend jünger. »Aber wir hatten auch schon vorher begonnen, uns auseinanderzuleben.«
    »Sie haben sich also zwischen August und Oktober 2001 auseinandergelebt?«, fragte Kerstin Holm.
    Marina Ivanova warf ihr einen raschen Blick zu und antwortete: »Ja. Wir haben irgendwann festgestellt, wie verschieden wir geworden waren.«
    »Und wie hieß Ihr Verlobter?«
    »Er wurde ›Badde‹ genannt.«
    »Badde?«
    »Nach dem Terroristen Andreas Baader«, erklärte Marina Ivanova.
    Als die Sonne untergegangen war, wirkte die Silhouette des Papstpalastes nahezu bedrohlich, wie eine riesige schwarze Amöbe, die kurz davor war, ganz Avignon zu verschlingen.
    »Sagen Sie ihm, er soll aufhören«, meinte Madame Girault mit einem Nicken in Richtung Balkontür, wo der Polizeizeichner gerade seinen letzten Versuch eines Porträts zerknüllte und den Kopf schüttelte. Dann streckte er stumm sein Glas auf den Balkon hinaus, wo ihm ein ordentlicher Schluck Pastis nachgeschenkt wurde.
    »Mit Absinth wäre es wahrscheinlich leichter gewesen«, sagte er mürrisch und nahm einen großen Schluck.
    »Dabei sind Ihre Bemühungen völlig unnötig«, meinte Madame Girault.
    »Inwiefern unnötig?«, fragte Corine Bouhaddi.
    Madame Girault öffnete ihre Handtasche, die sie auf dem Schoß liegen hatte, und nahm ihr Portemonnaie zur Hand. Sie zog ein ziemlich abgegriffenes Schwarz-Weiß-Foto daraus hervor und reichte es Bouhaddi.
    »Das letzte Bild von Didier«, sagte sie betrübt.
    Bouhaddi betrachtete das Foto. Es zeigte einen Mann mittleren Alters mit einem breiten Lächeln und demselben vogelähnlichen Profil wie das seiner Mutter. Er hatte den Arm um eine scheu lächelnde blonde Frau mit slawischen Zügen gelegt.
    Bouhaddi lachte auf.
    »Das hätten Sie ruhig etwas früher sagen können«, meinte sie.
    »Sie haben nicht danach gefragt.« Madame Girault lächelte.
    Zweifellos waren die beiden auf dem Foto Didier Girault und Marina Ivanova. Im Oktober 2001. Ivanovas scheues Lächeln stand bei näherer Betrachtung in starkem Kontrast zu dem glasklaren Blick aus ihren verengten Augen.
    »Können Sie mir genau schildern, wie Didier verschwand?«, fragte Bouhaddi.
    »Es war an einem Morgen, drei, vier Tage nach ihrer Ankunft«, sagte Madame Girault. »Das Mädchen kam zu mir auf den Balkon, wo ich saß und mein Frühstückscroissant aß. Ihr Haar stand wirr ab, und sie sah aus, als wäre sie gerade aufgewacht. Sie fragte mich in ihrem rudimentären Französisch, ob ich wüsste, wo Didier wäre. ›Ist er denn nicht bei Ihnen?‹, fragte ich zurück. Woraufhin das Mädchen antwortete, dass er nicht im Bett gelegen sei, als sie morgens aufwachte. Wir haben angenommen, dass er entgegen seinen Gewohnheiten einen Spaziergang oder Ähnliches machte. Aber er blieb verschwunden. Als die Polizei sie ein paar Tage später befragte, erinnerte sie sich daran, dass er irgendwann in der Nacht aufgestanden war. Sie war davon ausgegangen, er würde zur Toilette gehen. Aber er kam nicht wieder zurück.«
    »Und die Frau blieb die ganze Zeit über bei Ihnen?«
    »Noch eine ganze Woche. Und ich kann Ihnen versichern, dass sie ziemlich aufgewühlt war.«
    »Aufgewühlt?«
    »Außer sich vor Trauer und Verwirrung.« Madame Girault nickte.
    Zu seinem eigenen Erstaunen saß Paul Hjelm mit der laut durch den Raum hallenden Europahymne in seinem Büro, während er einen Bericht über das Telefonat von Arto Söderstedt mit der Unbekannten vom selben Tag durchlas. Es hatte höchste Priorität.
    Er las die entscheidende Formulierung erneut und

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