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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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die Polizei haben zu müssen. Sie nannten ihn den Lachenden Skorpion.«
    Zorn dachte an Malina. Das alles konnte nicht stimmen, sie hätte wissen müssen, dass ihr Onkel ein Massenmörder war. Oder hatte sie ihn belogen? Nein, als sie von der Bombe erfahren hatte, war ihre Sorge echt gewesen. Er sah Stapics Gesicht vor sich. Ein freundlicher, grauhaariger Mann. Mehr nicht.
    Mahler räusperte sich.
    »Später, als er als Kriegsverbrecher gesucht wurde, muss er schnell untergetaucht sein. Ich hatte keine Ahnung, dass er in Deutschland ist, geschweige denn hier in der Stadt.«
    »Wie hast du ihn wiedergetroffen?«
    »Überhaupt nicht. Ich habe ihn noch nicht gesehen.«
    Zorn schlug wütend mit der Faust auf den Boden. »Verdammt nochmal, erzähl mir endlich, was passiert ist!«
    »Du musst Geduld haben, Claudius. Ich hab dir gesagt, dass es eine lange Geschichte wird.« Einen Moment schien es, als würde Mahler lächeln. So, als wolle er sich entschuldigen. »Das alles ist fast zwanzig Jahre her. Und bevor du fragst: Ich wusste nicht einmal, dass Philipp Sauer hier lebt. Er wollte damals Jura studieren und muss irgendwann hergezogen sein, um im Osten Karriere zu machen. Ich habe es erst erfahren, als er tot war.«
    Zorn rieb sich den schmerzenden Kopf. »Ich kann das einfach nicht glauben.«
    »Warte ab, bis du den Rest gehört hast.«
    *
    »Aufstehen, Soldat.« Mahler wurde unsanft an der Schulter gerüttelt. Öffnete die verklebten Augen und erblickte Leutnant Sauer, der breitbeinig über ihm stand. Im ersten Moment hatte er keine Ahnung, wo er war. Ächzend richtete er sich zur Hälfte auf, stützte sich auf die Ellenbogen und sah sich um. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, doch die Spitzen der Berge leuchteten bereits im roten Morgenlicht. Sivo lehnte mit verschränkten Armen an der Beifahrertür des Jeeps.
    Mahler sank zurück und legte den Arm über die Augen. Funken zerstoben hinter seinen Augenlidern, ihm war, als würde sein Kopf jeden Moment platzen wie eine überreife Melone.
    »Mir ist schlecht. Ich kann nicht fahren.«
    »Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen.« Leutnant Sauer trat beiseite und sah auf die Uhr. Er trug eine verspiegelte Sonnenbrille, das vom Sonnenbrand gerötete Gesicht war dick mit Sonnencreme eingeschmiert. Um die Nase zu schützen, hatte er ein kleines Papierstück zwischen Nasenwurzel und Brille geschoben. »Wer saufen kann, muss die Konsequenzen tragen«, meinte er zackig. »In drei Minuten starten Sie den Jeep, oder ich melde Sie beim Kommandanten.«
    Es dauerte nicht drei, sondern fünfzehn Minuten, bis sie endlich unterwegs waren.
    Zwei Stunden später holperte der Jeep über die ungepflasterte, mit Geröll übersäte Straße in Richtung Nordwesten. Sie fuhren durch eine staubige, kaum bewohnte Hochebene, dorniges Gebüsch säumte den Weg, weiter hinten flimmerten vereinzelte Pinien in der Hitze. Ab und zu passierten sie ein halb verfallenes Gehöft, die Einschusslöcher in den fleckigen Mauern zeigten, dass der Krieg selbst bis in diese gottverlassene Gegend vorgedrungen war.
    Leutnant Sauer hockte hinten auf dem Rücksitz und studierte die Karte, Sivo, der Kroate, saß mit halbgeschlossenen Lidern auf dem Beifahrersitz.
    Plötzlich hielt Mahler an und öffnete die Fahrertür. Vor ihnen gabelte sich der Weg, rechts führte eine Abzweigung hinab in einen niedrigen Kiefernwald. Von Ferne war das Rauschen eines Gebirgsflusses zu hören.
    »Ich kann nicht mehr fahren, Herr Leutnant. Es geht nicht.«
    Er war blass, das Gesicht schweißüberströmt, mit zitternden Händen hielt er das Lenkrad umklammert. Leutnant Sauer beugte sich nach vorn. Ein unangenehmer Geruch ging von ihm aus, eine Mischung aus säuerlichem Schweiß und süßlichem Parfum. Mahler drehte den Kopf beiseite und würgte.
    »Sie können, Soldat. Sie sind als Fahrer abkommandiert. Das Einzige, was Sie zu tun haben, ist, diesen Wagen zu steuern. Also reißen Sie sich zusammen und tun Sie Ihre Pflicht. Und jetzt legen Sie verdammt nochmal den Gang ein und machen, dass wir weiterkommen.«
    Sauer kam noch näher, Mahler spürte seinen warmen Atem am Ohr.
    »Das ist ein Befehl, Soldat Mahler.«
    Der Kroate hatte bisher schweigend dagesessen und meldete sich nun zum ersten Mal an diesem Morgen zu Wort.
    »Ich kann fahren.«
    »Sie?« Sauer schnaubte verächtlich. »Das glaube ich Ihnen, aber Sie sind hier lediglich als Spürhund abgestellt.«
    Sivo zuckte die Achseln, schloss die Augen und lehnte sich zurück an

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