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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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hing ein großer, geschmackloser Leuchter aus imitiertem Bleikristall. Es roch nach Bier und abgestandener Luft.
    »Soll ich …?«, fragte Zorn und wies auf seine durchnässten Turnschuhe.
    »Das ist egal.« Mahler schlurfte langsam voraus ins Wohnzimmer, einen großen, hellen Raum, dessen Boden zum Großteil von einem cremefarbenen, plüschigen Teppich bedeckt war. Die Südseite war komplett verglast, mit Blick auf die Rückseite des kleinen, gepflegten Gartens. Mahler ging zu einem riesigen Ledersofa, warf eine zusammengeknüllte Decke und ein paar Zeitschriften beiseite und bot Zorn wortlos auf dem gegenüberliegenden Sessel Platz.
    »Ich habe versucht, zu schlafen«, sagte Mahler, als wolle er sich für die Unordnung entschuldigen.
    »Das ist ein nettes Haus«, meinte Zorn, denn irgendetwas musste er sagen. Es war eine Weile her, dass er die letzte Befragung geführt hatte.
    »Nett?« Mahler ließ ein trockenes Krächzen vernehmen, das Zorn nach kurzem Überlegen als Lachen identifizierte. »Es gehört –«, Mahler rieb sich über die Stirn, »es gehörte meiner Frau. Ich habe es vom ersten Augenblick an gehasst. Wissen Sie, wie diese Gegend hier genannt wird?«
    Zorn verneinte.
    »Schuldenhügel.«
    »Warum?«
    »Die Hälfte der Häuser steht leer, weil die Leute ihre Kredite nicht abzahlen können.«
    Hinter Mahler hing eine gerahmte, altmodische Fotografie, auf der eine blasse, blonde Frau mit großen Augen nachdenklich in die Kamera blickte.
    »Ist sie das?«, fragte Zorn und wies auf das Bild.
    »Ja, das ist Clara«, erwiderte Mahler, ohne sich umzusehen. »Sie war wunderschön.«
    »Das war sie«, sagte Zorn ehrlich.
    »Und sie hatte einen fürchterlichen Geschmack«, ergänzte Mahler mit einem Blick auf ein paar Glasdelphine, die auf der Kommode gegenüber aufgereiht waren. »Ich habe sie geliebt, wie man einen Menschen nur lieben kann.«
    »Hören Sie«, sagte Zorn, »es wird wahrscheinlich nie den richtigen Zeitpunkt geben, aber ich muss Sie fragen, was genau gestern passiert ist.«
    Mahler saß auf der Kante des Sofas und starrte auf seine Hände, die er zwischen den langen Beinen verschränkt hatte.
    »Ella, unsere Tochter, hatte vor drei Wochen einen Verkehrsunfall. Fahrerflucht. Sie hat zehn Tage im Koma gelegen, und als wir kaum noch Hoffnung hatten, ist sie aufgewacht. Das war das letzte Mal, dass ich Clara habe lächeln sehen.«
    Zorn hätte ein Vermögen für eine Zigarette gegeben.
    »Clara war depressiv. Sie hat Medikamente genommen, die haben geholfen. Und getrunken hat sie. Es … es gab Tage, an denen es ihr gutging, aber sie kam mit Problemen nicht zurecht. Überhaupt nicht.« Mahler fuhr sich mit der Hand über die grauen Bartstoppeln und erzeugte ein unangenehmes, lautes Kratzen. »Vorgestern waren wir im Krankenhaus. Als wir erfahren haben, dass Ella querschnittsgelähmt bleiben wird, hat Clara dagesessen und – wissen Sie, was sie gesagt hat?«
    Zorn räusperte sich hilflos.
    »Nichts.«
    Mahler sprach leise, wie zu sich selbst, und sah beim Reden weiter auf seine Hände. »Ich bin Vermessungsingenieur und hatte gestern einen wichtigen Job, aber ich bin zu Hause geblieben. Wie gesagt, Clara konnte mit Problemen nicht umgehen. Egal, ob es ein umgekipptes Milchglas war oder ein gelähmtes Kind. Ich habe versucht, sie zu trösten, habe ihr gesagt, dass unsere kleine Tochter immerhin lebt und dass wir jetzt für sie da sein müssten, aber da … Clara hatte sich wohl schon entschieden. Und ich«, er blickte auf und kurz sah Zorn in die dunklen Augen eines Mannes, der sein Leben hinter sich hat, »habe es nicht gemerkt.«
    »Was ist dann passiert?«, fragte Zorn, um wenigstens etwas zu sagen.
    »Ich habe gegen Abend, halb sieben ungefähr, einen Anruf bekommen, es gab Probleme auf der Baustelle. Als ich zurückkam, war sie tot.«
    »Wann war das?«
    »Gegen neun.«
    »Wie haben Sie sie gefunden?«
    »Sie lag in der Badewanne. Sie muss das in einem Film gesehen haben, man hört das ja oft, dass sich die Leute in eine Wanne mit warmem Wasser legen und die Pulsadern aufschneiden, und es heißt ja, man würde so gut wie nichts spüren.« Mahler beugte sich vor und sah Zorn fragend an. »Stimmt das?«
    »Was?«
    »Dass man nichts spürt?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Zorn.
    »Clara war eine sehr gewissenhafte Frau«, fuhr Mahler fort. »Und sie hasste Unordnung. Sie hat das Haus immer peinlich sauber gehalten, und soll ich Ihnen was sagen?«
    »Ja?«
    »Sie hat mir einen … einen

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