Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
ging jetzt ebenfalls zum Brustschwimmen über. Immerhin, jetzt holte er ein wenig auf, sah den Beckenrand, seine Lungen brüllten nach einer Pause, doch entsetzt stellte er fest, dass Schröder nur kurz anschlug, wendete und sofort weiterschwamm.
    Zorn kniff die Augen zusammen und folgte abermals. Jetzt bekam er auch noch Seitenstechen, die hellen Punkte vor seinen Augen wurden flammend rot, er hob den Kopf, schluckte Wasser und sah, dass er gerade einmal die Hälfte der Bahn geschafft hatte.
    Himmelherrgott, dachte Zorn, ich ersaufe in einem öffentlichen Schwimmbad, das gerade mal 1,80 m tief ist. Wo ist der verdammte Bademeister?
    Schröder hatte bereits gewendet. Als er an Zorn vorbeikam, hob er kurz den Daumen, grinste breit und schwamm schnurstracks weiter.
    Claudius Zorn gab auf. Er legte sich auf den Rücken und ließ sich langsam bis zum Ende der Bahn treiben. Seine einzige Sorge war, dass Schröder ihn sehen könnte, doch der zog unbeirrt seine Bahn und kümmerte sich nicht um das, was hinter ihm geschah.
    Zorn nahm die Chlorbrille ab, hielt sich am Beckenrand fest und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Im nächsten Moment erschien Schröder, hielt an und warf Zorn einen fragenden Blick zu.
    »Scheiß Brille«, sagte der, »taugt überhaupt nichts, ist total undicht.«
    »Kann ich mir vorstellen«, japste Schröder und wendete. »Ich mach noch ein bisschen weiter.«
    »Mach langsam«, sagte Zorn.
    Nach ein paar Metern drehte sich Schröder um und rief: »Das müssen wir öfter machen, Chef!«
    Zorn nickte. Schwimmen ist doof, dachte er. Ich sollte es langsamer angehen lassen. Wer weiß, vielleicht bin ich ja bloß ein wenig aus der Übung? Das nächste Mal geh ich jedenfalls alleine schwimmen. Wenn überhaupt.
    Dann stand er schwerfällig auf und wankte unter die Dusche.
    *
    Als Zorn später daheim auf den Fahrstuhl wartete, hatte er immer noch weiche Knie. Aber er hatte sich so weit erholt, dass er wieder halbwegs ruhig zu atmen vermochte. Die zerkratzte Tür öffnete sich, und Zorn wäre fast von zwei halbwüchsigen Mädchen über den Haufen gerannt worden, die den Fahrstuhl laut kichernd verließen. Er trat ein, drückte den Knopf für die vierzehnte Etage und lehnte sich, die Tasche zwischen den Beinen, an die Wand. Leise rumpelnd schloss sich die Tür, als im Flur hastige Schritte zu hören waren. Im letzten Moment erschien ein Bein und die Tür ging wieder auf.
    Zorn hielt die Luft an.
    »Sorry«, sagte das Mädchen und trat ein. Beim letzten Mal hatte sie eine Regenjacke angehabt, heute trug sie einen dunklen Trainingsanzug und Laufschuhe. Um den Hals baumelten ein paar Kopfhörer. Das Haar hatte sie im Nacken zu einem kurzen Zopf gebunden, sie war völlig durchnässt, ob vom Schweiß oder vom Regen, war schwer zu sagen. Zorn fand, dass sie immer noch sehr gut aussah. Obwohl sie puterrot im Gesicht war. Oder vielleicht gerade deshalb.
    Sie stand ihm gegenüber, lehnte sich ebenfalls an und starrte auf eine Stelle, die irgendwo ein paar Zentimeter über Zorns linker Schulter sein musste.
    Plötzlich hatte er einen sehr, sehr trockenen Hals. Er räusperte sich heftig.
    »Du joggst?«, fragte er dann.
    »Hm.« Sie strich sich mit beiden Händen das Haar aus der Stirn. Ein paar Sekunden vergingen, Zorn kam es vor, als sei es eine Ewigkeit, während er angestrengt überlegte, was er jetzt sagen sollte.
    Sie räusperte sich ebenfalls.
    »Und du?«
    »Ich?«
    »Joggst du auch?«
    »Nee. Ich schwimme.«
    Sie sah ihn kurz an.
    »Aha.«
    Er roch ihr Parfum. Flieder, dessen Duft sich mit dem Geruch ihrer nassen Kleidung zu einem Aroma vermischte, das an eine Wiese nach einem Frühlingsregen erinnerte. Schräg über ihrem Kopf hatte jemand mit dickem schwarzen Filzstift
Fuck the fucking Sistem
an die Wand gekrakelt.
    Wenn sie schon alles beschmieren müssen, überlegte Zorn, sollten sie doch wenigstens auf die Rechtschreibung achten.
    Das Mädchen räusperte sich erneut. »Könntest du …?«
    Er sah sie verständnislos an.
    Sie wies mit den Augen auf seinen Bauchnabel.
    »Ich muss in die zwölfte.«
    Jetzt wurde ihm bewusst, dass er direkt vor der Tafel mit den Etagenknöpfen stand. Hastig drehte er sich um, murmelte eine Entschuldigung und drückte den Knopf. Es ruckte, und der Fahrstuhl fuhr an.
    Zorn blickte äußerst konzentriert auf ihre nassen Turnschuhe und fragte sich, ob das flaue Gefühl in seinem Magen von der plötzlichen Aufwärtsbewegung erzeugt wurde.
    Himmelherrgott, überlegte er, wie alt

Weitere Kostenlose Bücher