Zorn - Tod und Regen
sagte Schröder und wischte seine Cordhose ab.
Zorn hatte von all dem nichts mitbekommen, schob den Bericht zu Schröder hinüber und wiederholte: »Fällt dir echt nichts auf?«
Schröder blätterte langsam Seite für Seite um. Dann stutzte er, sah die Mappe erneut durch und schaute Zorn an. Der hatte sich zurückgelehnt und die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
»Es fehlt eine Seite, Chef.«
»Genau. Das war mir vorher schon aufgefallen, aber irgendwie hab ich’s vergessen. Der Psychologe hat mich drauf gebracht.«
»Was machst du beim Psychologen?«
Zorn winkte ab. »Egal. Wenn du mir jetzt noch sagst, warum die Kopie unvollständig ist, lade ich dich nachher zum Essen ein.«
»Ein Versehen?«
»Könnte sein«, gab Zorn zu. »Möglichkeit zwei?«
»Tja«, überlegte Schröder. »Wenn jemand die Seite bewusst entfernt hat, könnte dort etwas stehen, das wir nicht erfahren sollen.«
»Sehr gut, Schröder. Und was könnte das sein?«
Schröder zuckte die Achseln.
»Herrgott, Schröder!«, rief Zorn, »was sollte es denn sonst sein als ein Hinweis auf die Identität der Leiche?«
»Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt, Chef?«
»Wenn es keine Schlamperei ist, muss es einen anderen Grund geben. Hast du einen?«
»Im Moment nicht.« Schröder griff die Fotos, die der Pathologe von der Leiche angefertigt hatte, und sah sie nacheinander durch. Betrachtete die Rückseiten und stutzte erneut. »Die sind auch nummeriert.« Er warf den Stapel auf den Tisch und lehnte sich jetzt ebenfalls in seinem Stuhl zurück. »Es fehlen zwei, Chef.«
»Glaubst du immer noch an ein Versehen?«
Schröder sah aus dem Fenster. »Nein.«
»Zufall?«
»Auch nicht.«
Zorn beugte sich über den Tisch. »Weißt du, was das bedeutet?«, sagte er leise.
Schröder öffnete den obersten Knopf seines Hemdes. »Es könnte bedeuten, dass jemand die Akten frisiert«, sagte er nach einer Weile. »Das ist absolut unwahrscheinlich, weil es keinen Sinn ergibt. Vor allem bleibt die Frage, wer so was machen könnte.«
Zorn sah Schröder unverwandt an. »Sag du es mir. Wer hat die Möglichkeit dazu?«
Schröder räusperte sich.
»Ich weiß, was du jetzt hören willst, Chef, aber ich kann –«
»Verdammt!«, unterbrach Zorn und sprang auf, »wer hat angeordnet, dass er sämtliche Berichte zuerst sehen will?«
»Unser Staatsanwalt«, stöhnte Schröder, »und trotzdem ka–«
»Nix trotzdem!«, ereiferte sich Zorn. »Sauer hat die Möglichkeiten, Sauer frisiert die Akten, Sauer will die Ermittlungen verschleppen!«
»Angenommen, es wäre so«, lenkte Schröder ein, »dann bliebe allerdings noch eine klitzekleine Frage.«
»Und welche?«
»Warum, Chef?«
»Was?«
»Welchen Grund hat Sauer, unsere Arbeit zu behindern?«
»Ganz einfach, weil …« Zorn fuchtelte mit den Händen durch die Luft, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und rieb sich mit der flachen Hand über den Hinterkopf. »Keine Ahnung«, seufzte er dann. »Aber ich bin mir sicher, dass es so ist.«
»Intuition?«
»Willst du mich verarschen?«
»Nein, Chef«, lächelte Schröder, wurde aber sofort wieder ernst. »Wenn du wirklich recht hast, müssen wir das melden.«
Zorn schüttelte den Kopf.
»Er würde doch behaupten, dass es ein Irrtum ist. Wir können nicht beweisen, dass er das vorsätzlich getan hat.«
»Ich rufe den Pathologen an und lasse mir das Original geben.«
»Das wirst du schön bleiben lassen, Schröder. Sauer hat mehr Einfluss, als wir beide zusammen jemals haben werden. Woher wissen wir, dass der Pathologe nicht mit drinsteckt? Oder irgend jemand anders? Solange wir keine eindeutigen Beweise haben, darf Sauer nicht erfahren, was wir wissen. Der würde uns fertigmachen.«
Schröder strich sich eine rötliche Haarsträhne aus der Stirn. »Das gefällt mir nicht, Chef.«
»Du und ich, Schröder, wir beide sind die Einzigen, die Sauer etwas nachweisen können. Wir können ihn am Arsch kriegen. Aber bis es so weit ist, müssen wir allein arbeiten.«
Schröder stand ebenfalls auf und sah seinen Chef an. »Du meinst undercover?«
Zorn nickte.
»Das kann uns die Pension kosten, Chef.«
»Ist das wichtig?«
»Ja«, sagte Schröder ernst. Dann fügte er hinzu: »Aber wir könnten eine Menge Spaß haben.«
»Vielleicht.« Zorn lächelte. »Aber zuerst müssen wir rausfinden, was Sauer für ein Motiv hat.«
»Wenn es denn eines gibt«, erwiderte Schröder und hob den Zeigefinger.
»Es gibt eins, darauf wette ich.«
»Wenn wir den
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