stellte das Wasser so heiß wie möglich und stand minutenlang da, in der Hoffnung, endlich vollständig wach zu werden. Dann kochte er Kaffee, nahm eine Zigarette und setzte sich nackt an den Küchentisch.
Himmel, dachte er benommen und schüttelte den Kopf, ich habe ja schon viel Mist geträumt. Aber so schlimm war’s noch nie. Aus dem Schlafzimmer war ein Geräusch zu hören, immer noch erwartete er, jeden Moment ein blutendes, verwesendes Etwas um die Ecke schlurfen zu sehen. Er drückte die Zigarette aus, stand abrupt auf und ging zum zweiten Mal ins Bad. Zorn duschte immer warm, zumindest lauwarm, doch jetzt drehte er an der Armatur, bis das Wasser eiskalt war, seine Kopfhaut zog sich zusammen, der Atem blieb ihm weg, und als es kaum noch auszuhalten war, zählte er laut bis zehn und sprang dann fluchend aus der Dusche.
Das mach ich nie wieder, dachte er und rubbelte sich mit dem Handtuch trocken. Dann rannte er zitternd ins Schlafzimmer. Nahm wahllos eine frische Jeans aus dem Schrank, trat dabei auf eine der überall herumliegenden Glasscherben, fluchte mit doppelter Lautstärke und humpelte zum Bett, um die Wunde zu untersuchen.
Sie war nicht tief, eigentlich hatte er sich kaum die Fußsohle geritzt und doch jammerte Zorn leise, dass er jetzt genug von dem ganzen Blut habe, erst auf Arbeit, dann in seinen Träumen und jetzt auch noch daheim, in seiner Wohnung, wo er doch eigentlich nichts weiter als seine Ruhe wolle.
Er gähnte und sah auf den Wecker neben dem Bett. Kurz nach halb sieben. Rief dann Schröder an und erklärte, dass er krank sei und heute nicht ins Büro komme, wies ihn an, seine Post und die E-Mails zu checken, schaltete das Handy aus, legte sich wieder hin und schlief bis zum Nachmittag. Tief. Und traumlos.
*
Kurz nach der Mittagspause ging Schröder in Zorns Büro, um wie befohlen nach den E-Mails zu sehen. In der Kantine hatte es Lammbraten gegeben, Schröder hatte sich zweimal Nachschlag geholt und fühlte sich jetzt ein wenig matt, aber zufrieden. Er setzte sich in Zorns Sessel, fuhr den Computer hoch, legte die kurzen Beine auf den Schreibtisch und überlegte dann, Zorns Abwesenheit zu nutzen und das Büro gründlich zu lüften. Das ließ er dann aber bleiben, denn er wusste, dass Zorn bei seinem nächsten Erscheinen nichts Besseres zu tun haben würde, als sich zuerst eine Zigarette anzustecken und die Luft erneut zu verpesten.
Den Vormittag über hatte er die Zeugenbefragungen noch einmal durchgelesen, mittlerweile zum dritten Mal, doch es blieb, wie es war: Weder in der Kantstraße noch in der Nähe des Wehrs hatte jemand etwas Außergewöhnliches beobachtet.
Er öffnete das Mailprogramm, seufzte und sah nach draußen. Es regnete und regnete. Und noch immer waren sie kein Stück vorangekommen.
Zorn hatte vier neue Mails, zwei waren von Sauer, allerdings schon vor vier Tagen eingegangen. Schröder beachtete sie nicht, er war sicher, dass Zorn sie bewusst nicht geöffnet hatte. Eine weitere stammte von Keitel, dem Polizeipsychologen, der ihn bat, sich umgehend zu melden.
Die vierte Mail hatte keine Betreffzeile, als Absender stand
[email protected].
Schröder runzelte die Stirn, pulte ein Stück Fleisch zwischen den Zähnen hervor und klickte die Mail an.
FUER ZORN
stand da. Mehr nicht. Keine Anrede und kein näherer Hinweis auf den Absender. Es gab einen Anhang, einen Quicktime-Film, den Schröder nach kurzem Zögern ebenfalls anklickte.
Ein paar Sekunden starrte er mit offenem Mund auf die grobkörnigen, verzerrten Bilder. Als er begriff, was er da sah, stieß er einen erstickten Schrei aus. Dann sprang er auf, riss den Stuhl um und wählte hastig die Nummer von Hauptkommissar Zorns Mobiltelefon.
Das allerdings lag ausgeschaltet zwischen den Scherben der Nachttischlampe, direkt neben dem Bett.
*
»Weißt du«, sagte sie und schob die Gabel ein wenig beiseite, »ich kenne dich jetzt ein bisschen. Du bist nicht der Typ, der jemanden einfach so zum Essen einlädt, nur weil er Gesellschaft braucht.«
Es war halb acht, die Dämmerung hatte bereits eingesetzt. Zorn hatte sich mit Sauers Sekretärin bei einem Italiener oberhalb der Flusspromenade getroffen. Er hatte bis halb drei geschlafen und war dann ziellos durch die Stadt gelaufen, um die Zeit totzuschlagen.
Der Laden war klein, gut gefüllt, und sie hatten Glück gehabt, noch einen Zweiertisch neben dem Eingang zur Küche zu finden. An den cremefarben getünchten Wänden hingen dezente Drucke, die wohl die Toskana