Zorn - Tod und Regen
geschminkt.
»Spinnst du?«, zischte Zorn und versuchte, ihm unter dem Tisch einen Tritt zu versetzen, verfehlte ihn aber um ein paar Zentimeter. Als Schröder flüsternd antwortete, tat er so, als würde er weiter in der Karte lesen.
»Undercover, Chef. Ich passe mich der Umgebung an.«
»Siehst du hier irgendjemanden, der auch nur annähernd so bescheuert rumläuft wie du?«
Schröder zuckte mit keiner Miene. »Es ist jedenfalls besser, wenn niemand merkt, dass wir uns kennen.« Er nahm einen Schluck Prosecco, hob die Stimme und wandte sich an den Barkeeper: »Der ist ja total warm, Herzchen. Willst du mich vergiften?«
Schröder hatte von Natur aus eine nicht eben tiefe Stimme, doch jetzt sprach er in einem nörgelnden, quengeligen Falsett. Im Zusammenspiel mit den überbetonten Konsonanten ergab dies die schlechteste Imitation eines Schwulen, die Zorn jemals gesehen hatte.
Der Barkeeper zuckte beleidigt die Achseln. Dann öffnete er eine neue Flasche, reichte wortlos ein weiteres Glas über den Tresen und verschwand hinter dem Vorhang. Schröder nahm den Prosecco und kippte den Inhalt des Glases in einem Zug hinunter.
»Wo ist Sauer?«, flüsterte Schröder und wischte sich den Mund ab.
»Nicht hier. Wag es ja nicht, dich zu besaufen, oder ich bring dich um.«
»Wie? Nicht hier?«
»Nicht hier heißt nicht hier! Verschwunden!«
»Ich denke, er ist hier reingegangen?«
»Jetzt ist er weg! Oder siehst du ihn irgendwo?«
Schröder sah sich unauffällig um.
»Vielleicht ist er weiter hinten?«
»Da war ich schon. Los, wir hauen hier ab.«
»Wir sollten noch warten, Chef.«
Und ehe Zorn etwas erwidern konnte, bestellte Schröder lautstark einen weiteren Prosecco. Der Vorhang hinter der Bar öffnete sich, und diesmal erschien nicht der Barkeeper, sondern jemand anders. Zorn, der dachte, an diesem Abend genügend Peinlichkeiten erlebt zu haben, wäre am liebsten im Erdboden versunken. Unwillkürlich zog er den Kopf ein und suchte nach einer Stelle, wo er in Deckung gehen konnte.
Malina trug Jeans und ein ärmelloses, weißes T-Shirt. Wieder registrierte Zorn, dass sie schlank, fast mager war. Es versetzte ihm einen nahezu körperlich fühlbaren Schlag, als sie ihn mit ihren hellen Augen ansah. Sie stutzte kurz, allerdings nur einen kleinen, fast unmerklichen Moment. Dann füllte sie ein weiteres Glas für Schröder.
»Danke, Schätzchen«, gurrte Schröder und sah Malina mit vollendetem Augenaufschlag an.
»Und dein Freund?«, lächelte sie mit einer Kopfbewegung Richtung Zorn.
»Was soll mit dem sein?«, fragte Schröder.
»Ich bin nicht sein Freund«, sagte Zorn.
»Ich meinte, ob du auch was trinken willst.«
»Ich hab noch.« Zorn nahm allen Mut zusammen und trank einen Schluck aus seinem Glas. Sofort spürte er, wie ihm der Alkohol zu Kopf stieg.
»Also ich …«, Schröder erhob sich umständlich von seinem Barhocker, »muss mal für kleine Königstiger.«
Zorn griff seinen Arm und hielt ihn flüsternd zurück: »Hör auf mit dem Scheiß und lass uns endlich hier verschwinden.«
»Gleich, Chef. Ich seh noch mal hinten, ob ich Sauer irgendwo entdecke.«
Zorn sah ihm kopfschüttelnd nach. Malina polierte ein Glas. Wenn sie erstaunt war, ihn hier zu sehen, ließ sie sich nichts davon anmerken.
»Ihr seid schon ein lustiges Pärchen, ihr zwei.«
Zorn wich ihrem Blick aus. »Quatsch, wir … wir sind kein Pärchen.«
Sie hielt das Glas prüfend gegen das Licht und stellte es dann in ein Regal hinter dem Tresen.
»Nein?«
»Nein. Und ich bin nicht …«
»Ja?«
Zorn rührte verlegen in seinem lauwarmen Mai Tai, der mittlerweile die Farbe von abgestandenem Urin angenommen hatte. Er hoffte inständig, dass Schröder schnell zurückkommen möge.
Malina musterte ihn nachdenklich. »Was bist du nicht?«
»Du weißt schon.«
»Was weiß ich?«
Täuschte er sich, oder erschien da ein feines Lächeln um Malinas Mundwinkel? Zorn sah sich hilflos um, beugte sich dann über den Tresen und sah sie an.
»Himmelherrgott, du weißt genau, was ich meine!«
»Du meinst, dass du nicht schwul bist? Das war mir von Anfang an klar. So siehst du nun wirklich nicht aus.«
Zorn atmete tief durch. »War das jetzt ein Kompliment?«
»Ich würde sagen«, sie griff ein weiteres Glas und hielt es gegen das Licht, »ja.«
Als sie ihn jetzt ansah, war ihr Lächeln wesentlich eindeutiger. Zorn spürte, wie er rot wurde, und hoffte, dass sie ihm seine Unsicherheit nicht anmerkte.
»Die Frage ist aber«,
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