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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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hatte.
    »Was?«
    »Schon gut.« Zorn rieb sich die Stirn. »Gute Arbeit, Schröder.«
    »Ich weiß, Chef.«
    Ein Taxi bog langsam um die Ecke und hielt vor Sauers Hauseingang.
    »Morgen früh durchsuchen wir die Wohnung. Jetzt gehst du nach Hause und …«
    »Ja?«
    »Warte mal.«
    Die Haustür öffnete sich.
    Zorn hielt die Luft an.
    Sauer erschien und sprang, ohne sich umzusehen, in das Taxi.
    »Das gibt’s nicht«, ächzte Zorn.
    »Was gibt’s nicht?«, fragte Schröder am anderen Ende.
    »Ich muss Schluss machen.« Hektisch warf Zorn das Handy beiseite und startete den Volvo. Gegenüber war das Taxi wieder angefahren und verschwand in Richtung Innenstadt. Zorn legte den Gang ein, würgte den Wagen ab, fluchte laut, der Motor heulte auf, dann raste er mit Vollgas hinterher.
    Als er die Rücklichter des Taxis vor sich sah, bremste er ab und fuhr langsamer. Verdammt, dachte er und atmete tief durch, auch das noch: Nächtliche Verfolgung einer verdächtigen Person im Taxi durch kettenrauchenden Ermittler. Ich bin eindeutig im falschen Film.
    *
    Unterhalb des Marktplatzes bog das Taxi in eine kleine Seitenstraße ein, die so etwas wie das Zentrum der Stadt bildete – jedenfalls, was das Nachtleben betraf. Früher hatten hier mittelalterliche Fachwerkhäuser gestanden, ein Großteil war abgerissen und in der Gründerzeit durch muffige, geduckte Mietskasernen, später dann durch dreistöckige Neubaublocks ersetzt worden. Auf einigen hundert Metern reihten sich hier Bars, Kaffees, ein Programmkino und diverse Kneipen in loser Folge aneinander. Im Sommer standen Stühle auf der Straße, und es gab Wochenenden, an denen so viele Menschen unterwegs waren, dass man sogar von einer Art lärmender Partyszene sprechen konnte. Jetzt, kurz vor Mitternacht an einem Donnerstag im April, war hier allerdings kaum jemand anzutreffen.
    Das Taxi fuhr langsam, Zorn folgte vorsichtig und zählte vielleicht ein Dutzend Menschen, die ihm vereinzelt oder in kleinen Gruppen auf der schmalen Gasse entgegenkamen. Vor einem Irish Pub stieg Sauer aus und verschwand rechts daneben in einer kleinen Bar. Zorn parkte fünfzig Meter entfernt halb auf dem Fußweg, stieg hastig aus und ächzte gequält, als sein Rücken nach dem langen Sitzen heftig protestierte.
    Die meisten Nachtclubs in dieser Gegend hatten Namen, die sinnigerweise etwas mit dem Begriff
Bar
zu tun hatten. Den Anfang hatte der Besitzer eines Ladens im Erdgeschoss einer Jugendstilvilla gemacht, der seinen Club
Sansibar
nannte. Die Kneipe war seit Jahren geschlossen, doch im Laufe der Zeit waren andere diesem Beispiel gefolgt, und so gab es eine
Sonderbar
und einige Meter weiter eine
Verfügbar
, die nur an den Wochenenden geöffnet hatte. Ein besonders witziger Grieche hatte seinen Schnellimbiss
Barbar
getauft.
    Dort, wo Sauer verschwunden war, verkündete ein flackerndes, blaues Neonschild, dass es sich hier um die
Begehbar
handelte, einen stadtbekannten Schwulentreff, besser bekannt als
Be Gay Bar
. Unter der Markise eines kleinen Schmuckladens blieb Zorn ratlos stehen. Am Schaufenster klebte ein vergilbtes, völlig durchnässtes Plakat für ein Peter-Maffay-Konzert aus dem letzten Sommer.
    Sauers Vorlieben interessierten Zorn herzlich wenig. Ihm fiel ein, dass dies seine erste Observation in fast zwanzig Dienstjahren war. Er fror, seine Jacke lag im Auto, er musste dringend pinkeln.
    Nein, dachte er, ich werde den Teufel tun und womöglich stundenlang hier draußen rumstehen. Dann zückte er das Handy und schrieb Schröder eine SMS , in der er ihm mitteilte, wo er war.
    Er atmete tief durch, überquerte die Straße und ging in die Bar.
    *
    Das Erste, was ihm auffiel, waren die großen, beleuchteten Aquarien, die in den Wänden eingelassen waren. Quietschbunte Fische schwammen darin, das diffuse Licht spiegelte sich an den ockerfarbenen Wänden eines langgestreckten, hohen Raumes. Überall waren dunkelbraune, bequeme Ledersessel verteilt, die um ein halbes Dutzend niedriger Holztische standen. Die meisten Plätze waren besetzt, irgendwo dudelte klassische Klaviermusik.
    Direkt gegenüber dem Eingang war der Tresen. Der Barmann, ein dunkelhaariger, sonnengebräunter Typ, der aussah, als würde er in seiner Freizeit Werbung für Herrenunterwäsche machen, mixte mit schnellen, routinierten Bewegungen ein kompliziert aussehendes Getränk. Direkt hinter ihm schien eine Art Lagerraum zu sein, der mit einem Vorhang abgetrennt war. Von dort war leises Flaschenklirren zu hören.
    Zorn

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