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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Bar. Draußen blieb er stehen, zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug.
    »Kannst du mir mal sagen, was das eben sollte?«
    »Was, Chef?«
    »Diese lächerlichen Klamotten, verdammt nochmal!«, blaffte Zorn und wies erst auf die Ledermütze und dann auf das Hemd, das Schröders Bauch umspannte wie ein Einkaufsnetz einen Medizinball.
    Schröder schob die Unterlippe nach vorn.
    »Ich hätte mir auch einen falschen Bart ankleben können, aber ich hab gedacht«, er sah seinen Chef unschuldig an, »ein bisschen Spaß sollte das Ganze schon machen.«
    »Spaß?«
    »Genau.« Schröder stemmte die kurzen Arme in die Hüften und stellte den linken Fuß ein wenig zur Seite. »Das war doch eine lustige Vorstellung, oder nicht?«
    Darauf wusste Zorn keine Antwort, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als das Thema zu wechseln.
    »Wo hattest du eigentlich das Foto von Sauer her?«
    Schröder unterdrückte ein Gähnen. »Das war nicht schwer zu besorgen. Ich hab mich eben auf den Einsatz vorbereitet.«
    »Na ja.« Zorn strich sich mit der Hand über den Nacken und gähnte jetzt ebenfalls. »Morgen früh fahren wir erst mal zur Wohnung von dieser Lehrerin.«
    »Das machen wir. Gute Nacht, Chef.«
    »Gute Nacht, Schröder.«
    Schröder tippelte in Richtung Markt, um sich ein Taxi zu nehmen.
    »Vergiss nicht, dich abzuschminken!«, rief Zorn ihm nach und trat die Zigarette aus.

Zwölf
    »Du wirst sie bestrafen, Staatsanwalt.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Du kannst. Ich will es so.«
    Es war weit nach Mitternacht. Sauer lief in seiner dunklen Villa auf und ab. Er hatte das Licht ausgeschaltet, draußen, vor den hohen Fenstern seines Wohnzimmers, hing die Dunkelheit wie ein schwarzes Tuch. Das Telefon hatte er so fest umklammert, dass seine Finger schmerzten. Der Hörer drohte, ihm aus den schweißnassen Händen zu gleiten.
    »Sie ist meine Sekretärin.«
    »Sie ist eine Schlampe, die dich bestohlen hat. Und sie ist eine Gefahr für mich. Ich will, dass du sie aus dem Weg räumst. Und ich will, dass sie leidet, bevor du sie tötest.«
    Die Stimme am anderen Ende klang heiter. Gelassen. So, als würde sie im Restaurant eine Chinapfanne bestellen.
    Sauer strich sich über das feuchte Gesicht. »Ich weiß, dass sie mich beobachtet, aber mehr als die Fotos und die Akte wird sie nicht finden. Sie kann uns also nicht mehr schaden als bisher. Wozu willst du sie aus dem Weg räumen?«
    »Betrachte es als Strafe. Für sie, weil sie gegen mich arbeitet. Und für dich, weil du versagt hast. Niemand stellt sich mir in den Weg, ohne dafür zu bezahlen. Ich bin der, der dir sagt, was du zu tun hast. Es ist ein Befehl, Staatsanwalt. Hast du vergessen, dass Befehle befolgt werden müssen?«
    »Ich bin nicht wie du, ich kann nicht –«
    »Du kannst. Sie arbeitet für den Feind. Sie hat ihn sogar gefickt, diesen …«
    »Zorn.«
    »Du hast gesagt, er ist ein unfähiger Polizist.«
    »Das ist er, glaub mir!« Sauer hatte die Stimme gehoben. Jetzt klang er wie ein Kind, unsicher, fast flehentlich. »Er ist faul, und er hasst seine Arbeit. Wahrscheinlich wird er ihre Identität herausfinden, aber das heißt noch lange nicht, dass er irgendeine Spur findet, die zu dir führt.«
    »Er hat dich vorhin verfolgt.«
    »Aber nicht gefunden«, sagte Sauer trotzig.
    »Ich weiß.«
    Eine Pause entstand. Am anderen Ende der Leitung war klassische Musik zu hören. Einen Moment lauschte Sauer den perlenden Akkorden des zweiten Klavierkonzertes von Mozart, die leise aus einer anderen Welt zu ihm herüber drangen. Sauer holte tief Luft und versuchte, selbstsicher zu klingen, so, als würde er im Gerichtssaal die Anklageschrift verlesen. »Ich werde sie nicht umbringen.«
    Die Antwort bestand aus einem amüsierten Lachen. »Du wirst sogar noch mehr tun, wenn ich es verlange, Jungchen. Viel mehr.«
    »Was meinst du?«
    »Das wirst du früh genug erfahren. Wenn du das hier überstehen willst, tötest du zunächst die Frau.«
    Sauer schluckte. »Und wenn nicht?«
    Wieder eine Pause. Draußen fegte ein Windstoß durch die Nacht, die Fenster protestierten mit einem mürrischen Klappern.
    »Muss ich dir das wirklich erklären, Staatsanwalt?«
    »Nein.«
    »Ich gebe dir vierundzwanzig Stunden. Keine Sekunde mehr.«
    Sauer schluchzte auf. »Ich kann das nicht tun.«
    »Oh doch.
    »Das darfst du nicht von mir verlangen.«
    »Schlaf gut, Staatsanwalt. Und träum schön.«
    *
    Ein paar Kilometer weiter lag Claudius Zorn in seinem Bett. Hätte er geschlafen,

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