Zorn - Tod und Regen
getötet. Ihre Leiche wurde ans Wehr neben der alten Papiermühle verbracht, wo sie am 20. April in halb verwestem Zustand aufgefunden wurde. In den Zeitungen wurde darüber berichtet.«
Das Kinn von Adam Bosch sackte nach unten. »Du willst mich verarschen.«
»
Sie
, wenn ich bitten darf. Und nein, ich will Sie nicht verarschen. Ich will den Mörder Ihrer Schwester finden, Herr Bosch, und dazu brauche ich Ihre Mitarbeit. Mir ist klar, dass Sie frustriert sind. Sie haben keine Arbeit, Sie leben wie ein Hund in diesem Loch, und Sie suchen die Schuld an Ihrer Situation nicht bei sich selbst, sondern bei der Gesellschaft. Okay, das tun Millionen anderer auch, und ich könnte Ihnen sagen, dass Sie wenigstens versuchen sollten, etwas zu ändern, anstatt hier zu sitzen und zu trinken. Aber ich habe keine Zeit. Und keine Lust, mir weiter Ihr Gewäsch anzuhören. Seit zehn Tagen suchen wir nach brauchbaren Hinweisen auf ein Motiv in einem Mordfall von widerwärtiger Brutalität, und Sie, Herr Bosch, sind momentan der Einzige, der uns weiterhelfen kann.« Schröder beugte sich vor und sagte leise: »Haben Sie verstanden, was ich eben gesagt habe?«
Mit zitternden Fingern griff Bosch nach einer weiteren Zigarette, obwohl die letzte noch halb angeraucht im Aschenbecher qualmte. Schröder öffnete eine der Bierflaschen und reichte sie über den Tisch.
»Ich fragte, ob Sie mich verstanden haben.«
Bosch leerte das Bier zur Hälfte, als habe er seit Tagen nichts getrunken. Dann nickte er.
»Können wir jetzt weitermachen?«
Ein weiteres Nicken.
»Was war Ihre Schwester für ein Mensch?«
Jetzt schien Bosch aus weiter Ferne zurückzukommen. Er sah Schröder an, als erblicke er ihn zum ersten Mal. »Wer … hat das getan?«
»Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht hier.«
Mit einer fahrigen Bewegung strich sich Bosch über das unrasierte Gesicht. Schröder sah, dass er mit den Tränen kämpfte. Er war nicht sicher, vielleicht war es auch der Zigarettenqualm, der in seinen Augen brannte.
»Sigrun war immer die Beliebtere von uns beiden. Ich war der ältere, trottelige Bruder, sie das Nesthäkchen, das jeder mochte. Sie hatte das gute Zeugnis, ich wurde ständig beim Klauen erwischt. Es war, als würde sie nie Fehler machen, während ich von einer Falle in die andere getappt bin. Ich weiß, dass sie mich geliebt hat. Wir haben uns nie gestritten, aber ich bin ihr immer aus dem Weg gegangen, verstehen Sie?«
Das tat Schröder nicht, nickte aber trotzdem.
»Sie hat oft angerufen, wollte sich mit mir treffen. Aber ich habe immer eine Ausrede erfunden. Dann hat sie sich immer seltener gemeldet.« Bosch trank den Rest seines Bieres. »Und auf einmal waren zwanzig Jahre vorbei.«
»Sie waren nicht mal auf der Beerdigung ihres Sohnes?«
Bosch schüttelte den Kopf.
»Aber Sie wussten, dass Sie einen Neffen haben?«
»Ja.«
»Und Sie kannten ihn?«
»Nein.«
Was bist du doch für ein fürchterlicher Mensch, dachte Schröder. »Kannten Sie seinen Vater?«
Wieder ein Kopfschütteln. »Aber ich glaube, er ist ein gottverdammter Kanake.«
»Kanake?«
»Ausländer.«
Das letzte Wort spie Bosch geradezu heraus. Schröder horchte auf.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie hat irgendwann mal so was erwähnt, am Telefon.«
»Hat sie gesagt, aus welchem Land genau er kam?«
»Nein.«
»Hören Sie …« Schröder legte eine Hand auf Boschs Unterarm. Er erkannte eine Tätowierung, eine primitive Rose, die von einem geflammten Schwert durchbohrt wurde. »Es ist verdammt wichtig, dass Sie sich erinnern. Ich brauche jeden Hinweis.«
Adam Bosch dachte nach.
»Mann, das ist über zehn Jahre her«, sagte er und strich sich über das Kinn. »Sie hat damals seinen Vornamen erwähnt. Marko, oder Mario. Vielleicht auch Niko, ich weiß es wirklich nicht mehr. Ich hab sie nur gefragt, ob er Ausländer ist. Sie hat ja gesagt, mehr nicht.« Bosch sah ihn aus wässrigen Augen an. Schröder erkannte erst jetzt, dass er ziemlich betrunken war. »Ich hab meinen Job an einen Albanier verloren. Über sieben Jahre her.« Er wies mit einer vagen Handbewegung durchs Zimmer. »Sie sehen ja selbst, wie ich lebe. Früher, da konnte man stolz auf dieses Land sein, es gab Zeiten, da … ich meine, gucken Sie sich doch mal an, wie die scheiß Ausländer –«
»Ich muss jetzt gehen«, unterbrach Schröder, stand auf und ging zur Tür. »Entschuldigen Sie den überstürzten Aufbruch.«
»Warum so schnell?«, fragte Bosch verwirrt.
Schröder drehte
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