Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
unauffällig hier wegtransportieren.«
    Er spricht leiser als vorher. Sein Tonfall erinnert an einen Arzt, der dem Patienten die OP erklärt. Sachlich. Ein wenig distanziert. Aber nicht unfreundlich.
    »Mach die Augen auf.«
    Sie gehorcht. Es hat keinen Sinn, sich zu wehren.
    *
    »Sei still.« Mit einer Handbewegung gab Kusch dem Jungen zu verstehen, hinter ihm zu bleiben. Er legte das Ohr an die dicke Kellertür und lauschte.
    Nichts.
    Vorsichtig drückte er die Klinke nach unten. Abgeschlossen.
    »Was machen wir jetzt?«, flüsterte der Junge.
    Kusch überlegte. Sie hatten keinen Schlüssel.
    »Ich breche die Tür auf. Gib mir Deckung.«
    »Was?«
    »Du sollst deine Waffe nehmen und mir Deckung geben.«
    Hektisch holte der Junge die Pistole aus dem Halfter. Als er sie entsicherte, fiel sie ihm fast aus der Hand. Kusch legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Bleib ruhig. Stell dich hinter mich und pass auf. Es wird schon nichts passieren.« Er nickte ihm aufmunternd zu. »Fertig?«
    Der Junge nickte ebenfalls. Schweißtropfen glänzten auf seiner Oberlippe. Die Waffe zitterte in seinen ausgestreckten Händen.
    Kusch holte tief Luft. Dann nahm er Anlauf. Sein massiger Körper bewegte sich erstaunlich schnell. Die Tür gab sofort nach und fiel mit einem lauten Krach nach innen.
    Kusch warf einen Blick hinein und sah sofort, was los war.
    Der Keller war leer.
    *
    Auf dem Boden liegen Hämmer, ein Dutzend vielleicht, der Größe nach geordnet. Unterschiedliche Sorten. Die meisten hat sie noch nie gesehen. Sie erkennt einen Maurerhammer, die scharfe Seite glänzt im Licht.
    »Ich verwende immer nur eine Sorte Werkzeug. Entweder Messer oder Draht, Strom oder Beil, niemals beides zusammen. Ich denke, das erscheint mir irgendwie …«, er überlegt kurz, »sauberer.«
    Sie hat keine Ahnung, was er meint. Er klingt nachdenklich, als er weiterspricht. »Hämmer haben etwas Beruhigendes. Es ist anstrengend, aber man fühlt sich danach, als wäre man stundenlang durch den Wald gerannt. Ausgelaugt, aber glücklich.«
    Ihr Blick fällt auf einen riesigen Vorschlaghammer mit hüfthohem, hölzernem Stiel. Der stählerne Kopf hat leichten Rost angesetzt.
    »Den benutze ich erst, wenn alles vorbei ist. Du wirst es nicht mehr spüren.«
    Er lacht leise.
    Hannah Saborowski verlässt ihren Körper, es gibt keine Sekretärin mehr, nur noch ein panisches, hyperventilierendes Etwas aus Haut, Knochen, Sehnen und Angst. Das Zittern ist in ein konvulsivisches Zucken übergegangen. Selbst wenn sie wollte, sie könnte es nicht unterdrücken.
    Sie spürt nicht, wie er einen großen Holzklotz unter ihr rechtes Handgelenk legt. Er greift einen vier Kilo schweren Fäustel mit flachem, rechteckigem Kopf. Dann schlägt er ihr mit der freien Hand leicht ins Gesicht.
    »Sei ruhig.«
    Sie schafft es, einen Moment die Luft anzuhalten. Ein kurzes, sausendes Geräusch, dann ein dumpfer Aufprall, gefolgt von einem trockenen Knacken. Sie sieht nach rechts, auf das, was von ihrer Hand übrig geblieben ist. Ein blutiges Stück Fleisch, das in groteskem Winkel an ihrem Handgelenk hängt wie ein toter Fisch.
    »Jetzt kannst du schreien.«
    Das tut sie. Immer und immer wieder.
    Später, während er langsam und methodisch weitermacht, werden ihre Schreie leiser. Es folgt der Moment, in dem ihr Gehirn den Dienst versagt und sich in eine graue Masse verwandelt, die nur noch sinnlose elektrische Signale sendet. Auch diese werden schwächer, wie bei einer langsam verlöschenden Taschenlampe, und als er zum Schluss, Ewigkeiten später, breitbeinig mit dem Hammer in der Linken über ihr steht und schweratmend fragt, ob sie noch etwas zu sagen habe, ist sie längst tot.
    Der Hammer saust von links heran und zertrümmert ihren Unterkiefer.
    Es ist Montag, der 30. April, 16 Uhr 15.
    Nebenan, keine drei Meter entfernt, schluchzt ein zehnjähriges Mädchen im Schlaf und ruft leise nach seiner Mutter.

Sechzehn
    »Scheiße, muss das wirklich sein?«
    Stöhnend legte Zorn den Kopf in den Nacken und sah hinauf zum nördlichen Turm der Marktkirche. Die letzten Stunden hatte er damit verbracht, in seinem Büro auf und ab zu gehen und abwechselnd die Fahndung und Schröder anzurufen, um sich nach Hannah zu erkundigen. Erfolglos, noch immer fehlte jede Spur.
    Er hatte versucht, sich auf die beiden Mordfälle zu konzentrieren, doch immer wieder landeten seine Gedanken bei Hannah, und je mehr er nachdachte, desto verworrener wurde ihm alles.
    Vor einer halben Stunde war der Anruf

Weitere Kostenlose Bücher