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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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bräuchte ich, Junge - einen stichhaltigen Grund. Nenne mir einen - und ich bringe sie zurück, wem immer er sie übergeben wird.«
    Es war gefährlich, den Fluss um diese späte Stunde zu durchqueren. Aber die Pferde hatten diese Furt schon oft bewältigt. Nur eines schreckte vor dem kalten Wasser zurück, scheute und warf seinen Reiter in die Fluten. Glücklicherweise war dies nicht Sir Williams Hengst, auf dem Sheena saß und vergeblich versuchte, sich entspannt an den fremden Körper zu lehnen.
    Sie ritten nicht nach Osten, in die Richtung von Aberdeen, sondern in den Westen, zu Sir Williams Heim. Damit fand sich Sheena ab. Es war schon spät, und sie konnte nicht erwarten, dass ihr Retter bei Nacht den langen Weg auf sich nahm, um sie in die Stadt zu bringen. Außerdem zählte nur eines - sie hatte Schloss Kinnion den Rücken gekehrt und entfernte sich Meile um Meile von der Quelle ihrer Ängste.
    Und wo blieb der innere Friede, den sie zu spüren erhofft hatte?

22.

     
    »Sir Jamie!«
    Der Laird saß vor dem Kamin. Nachdenklich hatte er in die Flammen geschaut. Nun drehte er sich um und sah einen seiner Gefolgsmänner durch die Halle laufen. Der arme Alwyn war in dem Gewittersturm, der draußen tobte, völlig durchnäßt worden. Seine Kappe saß schief auf dem Kopf, Wasserperlen hingen an seinem roten Bart und den buschigen Brauen, seine nackten Knie zitterten vor Kälte.
    »Es ist ein bißchen kühl draußen, was?« fragte Jamie grinsend.
    »Das kann man wohl sagen«, stimmte Alwyn zu.
    Jamie ließ Decken bringen, und Alwyn trat näher ans Feuer. Kurz nach Sheenas Flucht vor fünf Tagen hatte sich das Wetter verschlechtert. Jamie hatte zwei Tage in Aberdeen verbracht, um nach ihrer Tante zu suchen, und sich sogar für ein paar Stunden zu den Bettlern ins Armenhaus gesetzt. Reine Zeitverschwendung... Niemand kannte eine Nonne namens Erminia MacEwen. Lügen - nichts als Lügen! Er hätte es wissen müssen.
    Schwarze Gedanken gingen ihm durch den Kopf, so düster wie der Himmel draußen. Er war bereit gewesen, sich zu erniedrigen, sie anzuflehen, sie möge doch bei ihm bleiben - wenn er sie gefunden hätte. Doch was sollte er tun, wenn sie unauffindbar blieb?
    Er riß sich zusammen, schenkte Alwyn seine volle Aufmerksamkeit. »Wo war die Reisegruppe, als du sie entdeckt hast?«
    »Bei diesem strömenden Regen kann man nicht weit sehen, aber ich würde sagen, dass sie bald dasein muss .«
    »Und welche meiner Schwestern hat sich bei diesem elenden Wetter hinausgewagt?«
    » Mistress Daphne.«
    Jamie runzelte die Stirn. »Das hätte ich mir denken können. Jessie Martin hat zweifellos wilde Geschichten über die Demütigungen erzählt, die ihr auf Schloss Kinnion widerfahren sind, und nun will Dobbin wissen, was sich in Wahrheit zugetragen hat.«
    »Dobbin Martin habe ich nicht gesehen.«
    »Wen denn sonst?«
    »Ich glaube, der Laird von MacDonough begleitet Eure Schwester.«
    »Tod und Teufel!« stieß Jamie hervor. »Wie kann er sich denn hierher wagen, nachdem er eine Fergusson geheiratet hat!«
    » Wisst Ihr das so genau?«
    »Nun, in letzter Zeit habe ich nichts mehr darüber gehört - aber was hätte ihn hindern sollen? Wenn er zu mir kommt, um im Namen seiner neuen Verwandtschaft Friedensverhandlungen vorzuschlagen, wird er eine herbe Enttäuschung erleben.«Jamie ballte die Hände, in wachsendem Ärger. »Dieser verfluchte Kerl! Hat er seine Braut mitgebracht?«
    »Keine Ahnung, Sir Jamie«, antwortete Alwyn, der sich in der Nähe des zornigen Lairds immer unbehaglicher fühlte.
    »Jedenfalls wird sie nicht durch die Fforte gelassen. Geh hinaus und gib die entsprechenden Befehle!«
    »Ihr wollt das arme Mädchen bei diesem Wetter davonjagen?« rief Alwyn entsetzt.
    Jamie starrte ihn mit schmalen Augen an, dann seufzte er. »Das wäre nicht besonders gastfreundlich, was? Du hast recht. Und wenn ich's mir recht überlege - ich würde mir diese Fergusson ganz gern ansehen. Sie ist die Lieblingstochter des alten Dugald.«
    »In der Tat?«
    Jamie lachte verächtlich. »O ja! Und wenn sie sich in die Höhle des Löwen traut - soll sie doch! Ob sie die Höhle wieder verlassen wird - nun, das ist eine andere Frage. Gut, führ sie alle zu mir in die Halle.«
    »Vielleicht ist das Fergusson-Mädchen gar nicht dabei, Sir Jamie«, bemerkte Alwyn.
    Aber der Laird hatte sich wieder zum Kaminfeuer gewandt und dachte an die Stunden, die er im Verlies von Tower Esk zugebracht hatte, an die heiße Rachsucht, die damals in

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