Zorn und Zärtlichkeit
bist, muss es dir gefallen haben. Ich wollte keine gefühlskalte Frau heiraten, verstehst du? Nun, ich glaube, in dieser Hinsicht brauche ich nichts zu befürchten. Du willst mich doch nicht enttäuschen? Ich hoffe, du wirst eine fügsame Ehefrau sein - und stets bereit, mich zu erfreuen.«
»Niemals!« schrie Sheena, außer sich vor Wut. »Ihr könnt mich nicht zwingen, hört Ihr?«
Aber er hatte ihr bereits den Rücken gekehrt und das Zimmer verlassen.
Zitternd sank sie auf ihr Bett und schlug die Hände vors Gesicht. Nun war sie wieder dort angelangt, wo ihr Weg ins Verderben begonnen hatte. Wie vor ihrer Verbannung aus dem Vaterhaus musste sie nun fürchten, im Ehebett eines wilden Hochländers zu landen. Sie erinnerte sich nur zu gut an die Worte ihres Bruders, der behauptet hatte, James MacKinnion würde sie mißhandeln und vergewaltigen und sie ihr Leben lang quälen. Und sie wusste auch, dass Jamie nichts anderes beabsichtigte. Das hatte ihr der kalte Zorn in seinen
Augen bewiesen. Es war nicht Liebe gewesen, die ihn veranlaßt hatte, Heiratspläne zu schmieden, nicht einmal Zuneigung - nur Begierde. Und diese Begierde würde sie letzten Endes alle beide ins Unglück stürzen.
27.
Bald nachdem Jamie gegangen war, erschienen zwei Männer, um Sheena in ein Zimmer in der Nähe des herrschaftlichen Schlafgemachs zu geleiten. Sie weigerte sich nicht, denn sie hätte keinen Schlaf im Südturm gefunden, nachdem der Laird die Tür aufgebrochen hatte.
Ihre neue Kammer konnte nicht von innen verriegelt werden und wurde auch nicht von außen zugesperrt. Die zwei Männer blieben die ganze Nacht bei ihr, folgten ihr am nächsten Morgen in die Halle und bewachten sie auch während der nächsten beiden Tage. Als sie am dritten Tag mit Jamie und Colen am Frühstückstisch saß und Haferbrei mit Sahne aß, wuchs ihre Sorge. Der Laird wirkte so ruhig und gleichmütig. Was hatte das zu bedeuten? Zuvor war er unfähig gewesen, den Blick von ihr zu wenden. Jetzt beachtete er sie gar nicht. Durfte sie hoffen, dass er nicht mehr an ihr interessiert war? Oder wollte er sie im Ungewissen lassen? Wenn er irgendwas im Schilde führte - worauf wartete er?
Der Mann, der in die Halle stürmte, bevor die Mahlzeit beendet war, lenkte die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Aufgeregt blieb er vor dem Tisch des Lairds stehen. »Auf ein Wort, Sir Jamie! Schnell!«
Jamie seufzte. »Du darfst reden, Alwyn, frei von der Leber weg. Da ich dich zur Genüge kenne, weiß ich, dass du meistens völlig grundlos aus dem Häuschen gerätst. Warum muss t du immer soviel Lärm um nichts machen?«
»Ihr werdet es nicht glauben, Sir Jamie«, keuchte Alwyn, »aber ich schwöre Euch - alle männlichen Fergussons sind vor Eurem Tor versammelt!«
Sheena wurde blass und schluckte hastig, bevor sie würgen musste . Entsetzt starrte sie Alwyn an. Ihre Verwandten waren da draußen? Und sie saß hier in der Halle. Sie würden das Schloss angreifen, denn sie konnten nicht wissen, dass sie darin festgehalten wurde.
»So willst du die Sache regeln, Jamie? Das ist verdammt hinterlistig, wenn du mich fragst.« Colens mißbilligende Stimme unterbrach Sheenas angstvolle Gedanken. Die Bedeutung dieser Worte wurde ihr erst klar, als sie Jamies selbstgefälliges Lächeln sah.
Ihr Atem stockte. Und da es keinen Sinn mehr hatte, die Täuschung aufrechtzuerhalten, fragte sie leise: »Wie lange wisst Ihr es schon?«
»Nicht besonders lange, meine Liebe«, erwiderte Jamie. »Ich bekam Besuch, während du Jameson beglückt hast. Ich nehme an, du kennst Alasdair MacDonough? Er wusste einiges zu erzählen - vor allem von dem Verrat, den seine ehemalige Braut begangen hat.«
»Aber - wie konntet Ihr wissen, dass ich...«
»Darüber können wir uns später unterhalten.« Jamie stand auf, immer noch lächlend. »Jetzt möchte ich deinen Vater nicht länger warten lassen.« Er winkte Sheenas Bewacher zu sich und befahl: »Bringt die Dame in ihr Zimmer und seht zu, dass sie dort bleibt. Sie darf ihr Zimmer unter keinen Umständen verlassen. Habt ihr verstanden?«
Die beiden griffen mit sanfter Gewalt nach Sheenas Armen, doch sie weigerte sich, ihnen zu folgen. Gräßliche Bilder zogen an ihrem geistigen Auge vorbei. Ihre Familie - grausam niedergemetzelt - ihr Vater, ihr Bruder...
»Jamie!« schrie sie, als er sich abwandte, um hinauszugehen. »Ihr müßt mir sagen, was Ihr vorhabt! Bitte!«
Er drehte sich zu ihr um und strich mit einem Finger über ihre Wange.
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