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Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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glätten. Die Leute würden wissen, was sie getan hatte. Wie konnte sie es wagen, in die Halle zurückzukehren?
    Doch die Komik der Situation war auch ihr nicht entgangen. Und was spielte es schon für eine Rolle? Sie waren so lange weggewesen, dass es ohnehin jeder merken musste . Entweder jetzt oder morgen früh würde sie in anzüglich grinsende Gesichter blicken müssen. Vor allem weil Jamie so stolz dahinschritt, wie ein Hahn, der gerade aus dem Hühnerstall kam...
    Sie gingen an dem Zimmer vorbei, wo Sheena die letzten Tage verbracht hatte, unter strenger Bewachung. Nicht einmal diese Erinnerung trübte ihr Glück. Wie sinnlos war ihre Angst gewesen! Jamie würde ihr niemals weh tun. Und jetzt konnte sie endlich wieder sie selbst sein - ohne ihre Umgebung täuschen zu müssen. Sie fragte sich, was Jamie von der echten Sheena Fergusson halten würde.
    Bevor sie die Halle erreichten, verlangsamte Jamie plötzlich seine Schritte. Verwundert wandte sie sich zu ihm und sah, dass er die Stirn runzelte. Und dann wusste sie warum. Eine tiefe, unheimliche Stille erfüllte den großen Raum. Waren sie alle gegangen?
    »Jamie...«, begann sie, doch er legte warnend einen Finger an die Lippen und führte sie die restlichen Stufen hinab.
    Ihre Verwirrung wuchs, als sie die Halle betraten, die keineswegs leer und verlassen war. Trotzdem herrschte ringsum tiefes, beklemmendes Schweigen. Die meisten Leute standen, und ihre ernsten Mienen jagten einen unerklärlichen Angstschauer über Sheenas Rücken.
    Sie wollte nicht weitergehen, aber Jamie zog sie mit sanfter Gewalt zu den beiden Tischen, auf die sich die allgemeine Aufmerksamkeit richtete. Dazwischen standen Dugald und seine Gefolgsmänner, auch Black Gawain und Colen - und mehr MacKinnions als Fergussons.
    Heilige Maria, sie werden kämpfen, dachte Sheena entsetzt. Nein - Jamie wird es verhindern. Wie gut, dass wir gerade noch zur rechten Zeit gekommen sind...
    Aber - was war geschehen? Was hatte die beiden Clans erneut gegeneinander aufgebracht?
    Die Ursache lag zu Black Gawains Füßen, und Sheena wurde blass , als sie Iain Fergusson erkannte, ihren Vetter. Blut bedeckte seine Brust, so dass sie nicht genau erkennen konnte, wo man ihn getroffen hatte. Jedenfalls war er verwundet und bewußtlos - oder tot. Lieber Gott, nicht Iain - dieser gute, feinfühlige Mann... Kämpfe und Raubzüge bedeuteten ihm nichts - er liebte nur seine Tiere. Wie oft hatten Sheena und Niall ganze Tage bei Iain verbracht, die Gewohnheiten wilder Kreaturen beobachtet, über die Possen eines Bibers gelacht und voller Ehrfurcht seine großen, zotteligen Auerochsen bestaunt...
    Plötzlich brach ein Tumult aus, alles schrie durcheinander, wütende Beschuldigungen wurden vorgebracht und ebenso heftig zurückgewiesen. Kein einziges Wort ergab einen Sinn, und der Lärm schwoll an, bis Sheenas Ohren zu schmerzen begannen. Das Gebrüll verstummte erst, als sich Jamie über Iain beugte, um ihn zu untersuchen. Wahrscheinlich war er der erste, der feststellen würde, ob der Verwundete noch lebte.
    Nach einer Weile richtete sich Jamie auf und blickte angewidert in die Runde. »Welch ein Wahnsinn! Da steht ihr herum und beschimpft euch, während ein Mann reglos daliegt und verblutet!«
    »Ist er tot?« fragte Colen.
    »Das wird er bald sein - wenn man ihn nicht verarztet.«
    Colen nickte und bedeutete einigen Männern, Iain zum Kamin zu tragen. Dann befahl er, Wasser zu erhitzen, damit die Wunde gesäubert werden konnte. Dies wurde von Dugald verzögert, der eigensinnig erklärte, Iain müßte von seinen eigenen Leuten versorgt werden.
    Sobald man den Schwerverletzten weggebracht hatte, trat Jamie vor, dessen Ärger mit jeder Sekunde wuchs. Was für ein kindisches Getue; einzig und allein veranstaltet, um die MacKinnions zu kränken! Ein Zweck, der prompt erfüllt wurde... »Ich lasse mich auf keinen Streit mit Euch ein, bevor ich nicht weiß, was hier geschehen ist, Sir Dugald«, sagte er betont gleichmütig.
    »Fragt doch Euren Mann, MacKinnion! Wir wollen mal sehen, ob er es wagt, die Wahrheit zu gestehen.« Dugalds ausgestreckter Zeigefinger wies auf Black Gawain, und Jamie starrte seinen Vetter verblüfft an.
    »Du? Was hast du damit zu tun? Du warst nicht einmal bei der Hochzeit.«
    »Ich kam erst, nachdem du dich mit deiner neuen Braut zurückgezogen hattest - um deinem Vergnügen zu frönen.«
    Es war nicht der Hohn dieser Worte, der Jamie bestürzte, sondern die unverkennbare Bitterkeit in der Stimme

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