Zorn und Zärtlichkeit
ihre Gesichtszüge eingehend zu betrachten. Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen. Wenn er ein Kater wäre, würde er jetzt schnurren, dachte sie, dann hob sie verwundert die Brauen.
»Ich sehe dich, James MacKinnion! Du bist also Wirklichkeit. Bin ich nicht tot?«
Er grinste belustigt. »Das bezweifle ich, meine Süße.«
»Ich - ich dachte...« Sheena wurde rot. »Wie dumm von mir...« Sie überlegte kurz und sprach rasch weiter, ohne seinem Blick zu begegnen. »Es ist nur... Ich hatte keine Ahnung, wie es sein würde, Jamie. Natürlich habe ich erwartet, dass es weh tun würde, am Anfang. Aber das andere...« Sie unterbrach sich - bereit, alles einzugestehen, und doch verlegen angesichts dieser neuen Vertrautheit. »Darauf war ich nicht gefaßt. Ich hatte Angst vor diesen heftigen Gefühlen, weil ich nicht wusste , wohin sie mich führen würden. Und als sie immer stärker wurden, glaubte ich, sie würden mich vernichten. Ich befürchtete das Schlimmste - und dass ich sterben müßte. Trotzdem wollte ich um nichts in der Welt aufhören. ..«
Zögernd schaute sie ihm wieder in die Augen und las keinen Triumph darin. Stolz, das schon - aber es war nicht der Stolz eines selbstbe wusste n Eroberers. Sein Blick entfachte eine seltsame Wärme in ihrem Herzen - Zärtlichkeit? Oder sogar Liebe?
»Du bist nicht allein mit diesen Gefühlen, Sheena«, erwiderte er leise. »Ich will nicht behaupten, dass ich die Liebe nie zuvor genießen konnte, nur - so war es noch nie. In all den Jahren, seit ich ein Mann bin, habe ich nichts dergleichen empfunden. Irgendwie wusste ich, dass es mit dir so sein würde. Ich wusste es von Anfang an.«
»Das hättest du mir sagen können«, beschwerte sie sich.
»Hättest du mir geglaubt?«
»Nein«, gab sie zu. »Wird es immer so sein, Jamie?«
»Für uns beide schon - das verspreche ich dir.«
Kichernd schmiegte sie sich an ihn. Sie war glücklich - unsagbar glücklich. Wer hätte das je für möglich gehalten? »Nein, Jamie...« Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Es kann nie wieder so sein wie beim erstenmal. Aber wir könnten uns bemühen, damit es wenigstens fast so schön wird - oft. Ja? Immer wieder?«
Er lachte schallend und gab ihr einen liebevollen Kuss . »Bei allen Heiligen, Sheena, du bist tatsächlich ein Juwel! Wenn ich mir vorstelle, dass ich Angst hatte, du könntest so sein wie meine erste Frau... Was für ein Narr ich war! Ich hätte es besser wissen müssen.«
»Als dieses Feuer in mir brannte, gingen mir die verrücktesten Gedanken durch den Kopf. Oh, nein, ich glaubte nicht nur zu sterben, ich hielt dich auch für den Teufel, und ich dachte...« Sie verstummte abrupt.
»Was?«
»Nein, ich kann es dir unmöglich sagen.«
»Doch ich bestehe darauf - nachdem du mich so neugierig gemacht hast.«
»Du wirst böse sein, Jamie, und ich möchte diesen Tag nicht verderben...«
»Als ob du das schaffen könntest«, fiel er ihr lächelnd ins Wort. »Es gibt nichts, womit du mich in diesem Augenblick ärgern könntest. Und wenn es dir ein andermal gelingen sollte - du brauchst meinen Zorn niemals zu fürchten. Wie du sicher bestätigen kannst, besitze ich ein lebhaftes Temperament, und das wirst du zweifellos zu spüren bekommen - hin und wieder. Aber ich werde dir niemals weh tun, das schwöre ich.« Sie zögerte immer noch, und er fügte ungeduldig hinzu: »Sag's mir endlich! Du muss t lernen, mir zu vertrauen.«
»Also gut.« Sheena holte tief Atem. »Als ich zu sterben glaubte, dachte ich an deine erste Frau. Ich malte mir aus, dass sie vielleicht auf diese Weise den Tod gefunden hat, in deinen Armen - glücklich...« Sie spürte, wie sich seine Muskeln anspannten, und fuhr rasch fort: »Ich weiß - es ist lächerlich, was ich mir da einbilde. Wahrscheinlich hast du sie gar nicht angerührt. Denn dann hätte sie sich bestimmt nicht umgebracht.«
Sein Blick war unergründlich. Er preßte die Lippen zusammen und schien sich mühsam zu beherrschen.
»O Jamie, es tut mir so leid! Bitte, versuch mich doch zu verstehen. Vor dem heutigen Tag war ich überzeugt, du würdest vor nichts zurückschrecken. Ich traute dir die gräßlichsten Untaten zu - weil ich diese wilden Gerüchte glaubte... Vielleicht sollte ich dir alles erzählen.«
»Ja, mein Liebes, sprich weiter«, bat er tonlos.
»Angeblich hat sich deine erste Frau das Leben genommen, weil du in der Hochzeitsnacht brutal über sie hergefallen bist. Und das glaubte ich, weil ich nichts Gegenteiliges
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