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Zorn und Zeit: Politisch-psychologischer Versuch (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Zorn und Zeit: Politisch-psychologischer Versuch (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Zorn und Zeit: Politisch-psychologischer Versuch (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Sloterdijk
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Despotie (und einem
     verkrüppelten Philosophenkönigtum) nicht unähnlich. 34
    Der Geburtsfehler der kommunistischen Wirtschaftsidee lag jedoch nicht allein in der magischen Manipulation des evolutionären Kalenders. Es ist ja nie ausgeschlossen, daß eine Revolution der Evolution zu Hilfe kommt. Ihr unheilbares Gebrechen war das glühende Ressentiment gegen das Eigentum – das man gern mit der bitter gefärbten Bezeichnung »Privateigentum« belegte (auch bekannt als »Privateigentum an Produktionsmitteln«) –, als ob man alles Private per se zum Geraubten erklären wollte. Dieser Affekt mag sich auf hohe moralische Prinzipien berufen – er ist jedenfalls außerstande, dem Wesen der modernen Ökonomie, die von Grund auf Eigentumswirtschaft ist, gerecht zu werden. Nach einem von Gunnar Heinsohn geprägten Vergleich kommt die kommunistische Absage an das Prinzip Eigentum dem Kunststück gleich, ein Fahrzeug zu beschleunigen, indem man den Motor aus ihm entfernt. 35 Mehr noch: Die sich von Marx herleitenden Bewegungen der Linken (wie auch manche ihrer rechtsfaschistischen Rivalen) konnten ihr Mißtrauen gegen den Reichtum als solchen zu keiner Zeit ablegen, selbst dann, wenn sie, an die Staatsmacht gelangt, laut verkündeten, ihn intelligenter erzeugen und gerechter verteilen zu wollen. Ihre ökonomischen Fehler waren stets zugleich psychopolitische Geständnisse. Dem Kommunismus an der Staatsmacht war die Befriedigung des philisterhaften Enteignungsrauschs und des Verlangens nach Rache an den Privatvermögen im ganzen stets viel wichtiger als die Freisetzung der Wertströme. Daher blieb von dem großen Elan der egalitaristischen Menschheitswende schließlich nicht viel mehr übrig als die unverhohlene Selbstprivilegierung der Funktionäre – um von dem Erbe an Paralyse, Resignation und Zynismus nicht zu reden.
    Nichtsdestoweniger konnten auch der sozialistischen Wirtschaft zu ihrer Blütezeit – falls der gärtnerische Ausdruck erlaubt ist – die offensiven thymotischen Züge nicht fehlen, da ja alle revolutionären Projekte von Regungen des Stolz-Zorn-Empörungs-Spektrums getragen werden. Wer heute die Erinnerung an den sowjetischen Kult um die »Helden der Arbeit« bloß für ein wirtschaftsgeschichtliches Kuriosum hält, sollte bedenken, daß der linke Produktivismus den Versuch bedeutete, einen Hauch von Größe in ein System zu tragen, das unter seinen eigenen vulgären Prämissen litt.
    Die in Nietzsches Moralkritik latent enthaltene thymotische Ökonomie stimuliert eine alternative Geldwirtschaft, in der Reichtum in Verbindung mit dem Stolz auftritt. Sie will dem modernen Wohlstand die klagende Maske vom Gesicht reißen, hinter der sich die Selbstverachtung von kleinlichen Besitzern großer und sehr großer Vermögen verbirgt – eine Verachtung, die im Sinn der platonischen thymós -Lehre völlig legitim ist, da die Seele der Vermögenden sich zu Recht selbst angreift, wenn sie nicht aus dem Zirkel der Unersättlichkeit herausfindet. Dagegen hilft auch das milieuübliche Kulturgetue nicht – das Interesse an Kunst ist in der Regel nur das Sonntagsgesicht der Gier. Die Heilung von der Selbstverachtung fände die Seele der Vermögenden allein in den schönen Handlungen, die den inneren Beifall des vornehmen Seelenteils zurückgewinnen.
    Die Thymotisierung des Kapitalismus ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts; sie mußte nicht auf Nietzsche und Bataille warten, um ihren modus operandi zu entdecken. Sie ist von sich her immer dann am Werk, wenn der Unternehmermut Neuland betritt, um die Voraussetzungen für neue Wertschöpfungen und deren distributive Ausstrahlungen zu schaffen. Was schöpferische Aggression angeht, brauchte der Kapitalismus zu keiner Zeit Nachhilfeunterricht seitens philosophischer Mentoren in Anspruch zu nehmen. Daß er dabei allzusehr unter moralischen Hemmungen gelitten habe, wird man nicht sagen können. Doch auch nach seinergenerösen Seite hin hat er sich eher eigensinnig und abseits der Philosophie entwickelt, allenfalls von christlichen Motiven inspiriert, insbesondere im Großbritannien des 18. und 19. Jahrhunderts, jenem Land mithin, in dem es, nach Eugen Rosenstock-Huessys aufmerksamem Zeugnis, nicht gerade oft, doch immer wieder vorkam, daß ein Unternehmer als Kapitalist 4 Millionen Pfund an Gewinnen erzielte, um davon als christlicher Gentleman 3 Millionen zu verschenken. Einer der bekanntesten Fälle von generösem Geben aus Kapitalgewinnen ist mit dem Namen Friedrich

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