Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
kaum noch eine heiler Knochen in seinem zerschmetterten Körper.
*
fünf kleine negerlein
die hörten einen schrei
doch drei von ihnen waren dumm
da warens nur noch zwei
Teil drei
Vierundzwanzig
Der Hund hatte keinen Namen.
Niemand hatte es je für nötig gehalten, ihm einen zu geben. Der alte Mann, der ihn kurz nach seiner Geburt zu sich genommen hatte, war meist zu betrunken gewesen, um ihn überhaupt wahrzunehmen, er nannte ihn einfach Hund . Sie hatten auf der Straße gelebt, das, was der Alte tagsüber zusammenbettelte, gab er abends für gepanschten Rotwein aus, während der Hund sich von Abfällen ernährt hatte. So war es knapp zwei Jahre gegangen, dann war der Mann krank geworden. Irgendwann hatte sich zu dem Gestank nach ungewaschener Kleidung und billigem Fusel etwas anderes gesellt, der Geruch des nahen Todes, und als der Alte eines Morgens reglos in seinem Schlafsack liegen geblieben war, hatte der Hund kurz gewartet und war dann weitergezogen.
Er war ein Mischling, ein undefinierbarer Mix aus Schäferhund, Boxer und Rottweiler, vierzig Kilo schwer, hässlich, das Fell von undefinierbarer Farbe, voller Läuse und verfilzt wie ein mottenzerfressener Teppich. Es gab niemanden, dem er wichtig war, der gesagt hätte, er wäre sein Hund. Er war einfach da, ein Einzelgänger.
Menschen waren ihm egal, er ging ihnen aus dem Weg. In seinem kurzen Leben hatte er gelernt, unauffällig zu bleiben, er war ein stiller, schmutziger Hund. Er bellte nie, meist hielt er sich im Schatten, das Einzige, was ihn interessierte, war Futter.
Der, bei dem er jetzt war, redete kaum. Sie hatten sich an der Uferpromenade getroffen, der Hund hatte neben einem Papierkorb geschlafen, achtlos waren die Menschen an ihm vorübergelaufen, bis plötzlich jemand stehen blieb und zu ihm hinabsah. Erst hatte er so getan, als würde er es nicht bemerken, dann hatte er das frische Stück Fleisch in der Hand des Menschen gerochen. Er hatte es vor ihn auf den Boden gelegt, war einen Schritt zurückgetreten und hatte gewartet, bis der Hund es verschlungen hatte. Das war schnell gegangen, mehr als drei Bissen hatte er nicht dafür gebraucht.
Komm mit , hatte der Mensch dann gesagt. Das hatte der Hund getan.
Er war ihm bis in die verlassene Laube am Rand der Gartensparte gefolgt. Anfangs hatten die unbekannten Gerüche ihn verwirrt, in der Hütte war es eng und düster, und als der Mensch ihm schweigend ein Halsband anlegte und ihn mit einer Leine an ein rostiges Wasserrohr band, hatte er nervös mit den Ohren gezuckt. Das war schnell vorbei gewesen, denn dann hatte der Mensch einen Napf mit Fressen vor ihn auf den Boden gestellt.
Frisches Fleisch.
Bleib , hatte er gesagt. Dann war er gegangen.
Das war vor einem Tag gewesen. Jetzt lag der Hund auf einer alten Decke und döste, den breiten Kopf auf den gekreuzten Pfoten, vor sich hin. Es war dunkel, etwas Licht fiel in schmalen Streifen durch die verzogenen Fensterläden. Die Sonne hatte den Raum aufgeheizt, es war stickig.
Der Hund hob den Kopf. Neben ihm lag eine alte Matratze auf dem Boden. Das Bündel darauf bewegte sich. Da war noch ein Mensch, eine Frau oder ein Mädchen, er konnte sie riechen, ihre Angst, den Schweiß, den Urin. Sie lag unter einer durchsichtigen Plastikplane, ihr Atem ging schwer, wahrscheinlich war sie gefesselt.
Die Plane raschelte, sie versuchte, sich auf die andere Seite zu drehen. Dann lag sie wieder still, der Hund hörte ein ersticktes Keuchen, vielleicht weinte sie auch.
Er ließ den Kopf wieder auf die Pfoten sinken. Wartete. Irgendwann würde der Mann zurückkommen und Fressen mitbringen.
Der Napf vor ihm war leer, noch hatte er keinen Hunger.
Noch nicht.
*
Die Uferpromenade war abgeriegelt. Zwei Dutzend Menschen in heller Sommerkleidung drängten sich an den Absperrbändern, angelockt von den uniformierten Beamten, die unter der Brücke standen und Order hatten, niemanden vorbeizulassen. Vier Polizeiwagen und ein Kleinbus parkten auf dem Rasen unterhalb der Burg, einer von ihnen hatte noch immer das Blaulicht eingeschaltet. Ein Leichenwagen stand etwas abseits, zwei Männer in dunklen Anzügen saßen auf den Vordersitzen und warteten. Der Fahrer las in einer Zeitung, sein Nebenmann kaute auf einem Wurstbrot.
Schröder schirmte das Gesicht mit der Hand gegen die Sonne ab und sah hinauf zur Burg. Er trug einen hellen Khakihut und ein blaues T-Shirt, das ihm mindestens drei Nummern zu groß war und fast bis zu den Knien reichte.
Der Leiter der
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