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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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habe.«
    Haubold, der noch keine Vierzig war, sah plötzlich aus wie ein alter, gebrochener Mann. »Ich habe soeben meinen Sohn verloren. Machen Sie keine Witze, Herr Kommissar.«
    »Glauben Sie mir, das liegt mir fern.«
    Die Uhr gab ein gequältes Rattern von sich, dann begann sie zu schlagen. Haubold stöhnte auf, als habe er einen Tritt in den Magen erhalten. »Das stimmt nicht. Das kann nicht stimmen.«
    »Wir haben Beweise.«
    »Was für Beweise?«
    »Das ist jetzt nicht wichtig. Wussten Sie, dass Martha mindestens einen Suizidversuch hinter sich hat?«
    »Ja.« Haubold nickte. Er sah müde aus, es schien, als würde er jeden Moment vom Sofa kippen. »Wir haben lange darüber geredet, und sie war danach in Behandlung. Das war nichts Ernstes, hatte mit der Pubertät zu tun. Es kann nicht sein, dass die beiden missbraucht worden sind, schon gar nicht von Pastor Giese. Die Kinder hätten uns davon erzählt, sie vertrauen uns, sie …«
    »Anscheinend«, unterbrach Schröder leise, »kennen Sie Ihre Kinder nicht so gut, wie Sie bisher gedacht haben.«
    »Das geht Sie nichts an!« Haubold sprang auf. Das Weinen in der Küche wurde lauter, steigerte sich zu einem kindlichen, hilflosen Schluchzen. Türen wurden geöffnet, Geschirr klapperte, Teller zerbarsten auf dem Boden.
    »Ich muss zu meiner Frau.«
    Schröder hielt ihn zurück.
    »Sie sollten sie jetzt allein lassen. Im Moment können Sie ihr nicht helfen.«
    Haubold lachte gequält auf.
    »Das kann niemand.« Er ging zur Tür. »Aber ich muss es versuchen. Es bleibt mir nichts anderes übrig.«
    *
    »Wir haben die Filme auf Gieses Festplatte gefunden«, erklärte Zorn sanft.
    »Ich möchte jetzt gehen, Herr Hauptkommissar.«
    »Du gehst, wenn ich es dir erlaube.«
    Wieder begann Max, an seinen Fingernägeln zu kauen. Zorn ignorierte es.
    »Ich weiß, was Giese euch angetan hat«, sagte er leise. »Dass er euch missbraucht hat, als ihr klein wart. Dich, Eric, Martha, Björn und Udo. Warum habt ihr geschwiegen?«
    Max sah auf. Trotz, Wut und Scham lagen in seinem Blick. Und eine unsagbare Trauer. »Weil das keinen was angeht.«
    »Ihr habt mit niemandem darüber geredet?«
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Auch nicht mit euren Eltern?«
    »Nein. Und mit Ihnen will ich auch nicht darüber sprechen.«
    »Das musst du nicht. Aber ich denke, du brauchst Hilfe. Ich habe die Narben an Marthas Handgelenken gesehen. Sie wollte sich umbringen.«
    Max schluckte. »Das wollte ich auch. Ich hab’s mit Tabletten versucht, aber ich habe mich nicht getraut.«
    Himmel, was mache ich hier eigentlich?, dachte Zorn. Er braucht einen Psychologen, jemanden, der sich mit so etwas auskennt, und nicht mich. Ich habe keine Ahnung, was ich ihm sagen soll.
    »Pastor Giese hatte uns verboten, darüber zu reden.« Max knetete die Hände auf dem Schoß, sein linkes Bein fuhr zitternd auf und ab. »Wir waren noch klein, wir haben ihm geglaubt. Und wir hatten Angst. Er sagte, dass das normal sei, dass man das alles tun müsse, wenn man sich liebt. Dann haben wir gewartet.«
    »Worauf?«
    »Dass wir es irgendwann vergessen können.«
    »Aber das ist nicht passiert.«
    »Nein.«
    »Versprich mir, dass du mit jemandem darüber redest, Max. Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll. Es gibt Leute, die das können.«
    »Psychologen?«
    »Vielleicht«, nickte Zorn langsam. »Ich halte nicht viel von denen, aber irgendwas musst du tun.«
    Max sah schweigend zu Boden.
    »Hast du mich verstanden, Max?«
    »Sie müssen mir versprechen, es niemandem zu erzählen, Herr Kommissar.«
    »Das kann ich nicht.« Zorn schüttelte den Kopf. »Das, was damals passiert ist, hängt mit den Morden zusammen. Was genau das ist, kann ich noch nicht sagen, aber das finden wir raus.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja«, log Zorn.
    »Denken Sie, dass ich auch in Gefahr bin?«
    »Ja, das glaube ich.« Zorn schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Wie fühlst du dich?«
    Max dachte einen Moment nach.
    »Es geht. Der Hals tut mir immer noch weh, und mein Nacken wird wohl noch eine Weile steif bleiben, sagt der Arzt. Abgesehen davon geht’s mir beschissen.«
    »Sag mir, wenn ich etwas für dich tun kann.«
    »Okay.«
    »Du kannst jetzt gehen, Max. Ich werde jemanden abstellen, der dich rund um die Uhr überwacht.«
    Max erhob sich ebenfalls.
    »Das möchte ich nicht.«
    Zorn dachte an die verschwundene Martha Haubold und daran, dass er sie in der letzten Nacht weggeschickt hatte.
    »Es geht nicht darum, was du möchtest, Max.

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