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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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mit dem Schlafen wird eh nix.«
    Ein Klacken, und die Verbindung war unterbrochen.
    *
    Herr Kalze fasste einen Entschluss.
    Es kann nicht schaden, dachte er, wenn ich mir noch ein wenig die Beine vertrete. Ein kleiner, nächtlicher Spaziergang durch die Anlage wird meinen alten Knochen guttun.
    Leise lief er über den schmalen Backsteinweg, öffnete das niedrige Tor und drehte sich noch einmal um: Links war das Gemüsebeet, er hatte die Tomaten akkurat gepflanzt, sie standen wie Soldaten in Reih und Glied. Rechts ein paar Sträucher, ein Kirschbaum und eine niedrige Blautanne. In der Mitte die kleine weißgestrichene Laube mit den Blumenampeln, dem großen Wagenrad an der Wand und der dicken Frau Kalze, die drinnen leise vor sich hinschnarchte.
    Direkt am Weg wuchsen Gladiolen, er hasste diese lilafarbenen Gewächse, sie rochen nicht gut, außerdem wurden die Wespen von ihnen angezogen. Seine Frau allerdings liebte die Blumen, hegte und pflegte sie, es hatte keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren. Der Rasen war ein wenig zu lang, es war jetzt über zwei Wochen her, dass er ihn zuletzt gemäht hatte.
    Nun gut, dachte Herr Kalze und zog genüsslich an seiner Zigarre, den Rasen mähe ich morgen. Und ihre doofen Gladiolen sense ich gleich mit ab.
    Er lächelte in sich hinein.
    Mit einem leisen Quietschen fiel das Tor ins Schloss.
    *
    Die Nacht war klar. Der See glänzte im Mondlicht wie ein schwarzer Spiegel. Er wirkte seltsam kompakt, zäh, als wäre er nicht mit Wasser, sondern mit flüssigem Teer gefüllt. Nebelschwaden trieben über die Liegewiese, kleine, vereinzelte Fetzen, die sich schnell wieder auflösten.
    Der Mann, der jetzt langsam näher getrottet kam, lief unsicher, ein wenig schwankend. Den Hut hatte er tief in die Stirn gezogen, der Mantel war aufgeknöpft, die Hände hatte er in den Taschen vergraben. Plötzlich blieb er stehen, bückte sich und hob eine gelbe Plastikschaufel auf.
    »Was die Leute so alles wegschmeißen«, murmelte Peter Brandt und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
    Er fühlte sich etwas klarer im Kopf, die Nachtluft tat ihm gut. Das war der Grund, warum er fast jede Nacht herkam, zwei, drei Runden um den See drehte und dann wieder zurück in seine Wohnung ging, in der Hoffnung, noch ein paar Stunden Schlaf zu finden.
    Er begegnete selten einem Menschen, und so war es auch jetzt. Ein kurzer Blick zeigte ihm, dass er allein war: Kein verspäteter Spaziergänger, kein Liebespärchen, niemand, der seinen Hund ein letztes Mal ausführte.
    Gut so, dachte Herr Brandt zufrieden, wandte sich nach links und lief los. Rechts von ihm lag der See, der Mond stand hinter ihm, hell genug, dass der Schatten des Bibliothekars schräg über den Asphaltweg mitwanderte. Ab und zu verschwand er im Dunkel, verschmolz mit den Schatten der Trauerweiden, die den See in regelmäßigen Abständen umstanden.
    Es dauerte nicht lange, und er hatte das Wasser zur Hälfte umrundet. Ein paar Betonstufen führten zum Ufer hinab, Brandt blieb stehen, um ein wenig zu verschnaufen. Das Wasser war schaumig, eine Mischung aus Dreck, altem Papier und abgebrochenen Ästen schaukelte sanft auf der Oberfläche.
    Er sah sich um.
    Hinter ihm duckte sich das niedrige, von dichtem Unterholz umgebene Pumpenhaus der Fontäne. Die schmutzige Fassade war mit Farbklecksen beschmiert. KEVIN IST EIN BASTART ER HAT MEINE ALTE GEFIKT! , hatte jemand rechts unten an die Wand gesprüht. SELBER BASTARD, LERN ERST MAL SCHREIBEN , stand darunter.
    Ein paar Meter hinter dem Pumpenhaus floss ein schlammiger Nebenarm des Flusses, der sich einen halben Kilometer weiter wieder mit dem Hauptarm vereinigte.
    Die Nacht war warm, doch Peter Brandt fröstelte ein wenig. Er steckte die Hände tiefer in die Manteltaschen und zog die Schultern hoch. Der Mond schien ihm jetzt ins Gesicht, das Licht spiegelte sich in den Gläsern seiner Brille. Der große weiße Schwan trieb reglos auf dem Wasser.
    Das nächste Mal, überlegte Brandt, nehme ich ein bisschen Brot mit.
    Aus weiter Ferne hallte das Glockenspiel der Marktkirche über die Stadt.
    Der Bibliothekar rieb sich mit der Hand über das Gesicht, er fühlte sich ein wenig schwindlig. Er wollte weiterlaufen, als ihm von hinten leicht auf die Schulter getippt wurde.
    Peter Brandt fuhr herum.
    »Hallo Papa«, sagte Max. »Alles Gute zum Geburtstag.«
    »Du? Mein Gott, du hast mich zu Tode erschreckt!«
    »Das war noch gar nichts«, lächelte der Junge. »Ich hab ein Geschenk für dich.«
    Es brummte, im

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