Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
abgefunden, in technischen Dingen ein absoluter Versager zu sein. Das Einzige, womit er sich auskannte, war seine Stereoanlage, und es hatte lange genug gedauert, bis er wusste, wie der Verstärker, der Plattenspieler und die Fernbedienung funktionierten. Computer, Auto, Telefon: Wenn etwas davon streikte, musste es repariert werden, logisch. Aber nicht von ihm. Dafür gab es Fachleute, Monteure, Mechaniker oder Techniker.
Und natürlich Schröder.
Diese miese, kleine …
Nein, ermahnte sich Zorn. Ich muss ruhig bleiben, und ich werde ihm diesen Triumph nicht gönnen. Ich bin nicht blöd, das krieg ich auch allein hin. Bisher hab ich’s ja noch nicht mal versucht.
Er nahm das Handy vom Tisch, vorsichtig, als könne es jeden Moment in die Luft fliegen. Die Taste für das Menü fand er relativ schnell, er drückte weiter, hektisch klickte er sich durch Erscheinungsbild, Privateinstellungen, Hintergrundfarben, dann, als er bei einem Menüpunkt namens »Anruftöne« landete, schöpfte er Hoffnung, fügte hier ein Häkchen hinzu, entfernte dort eins, landete im nächsten Menüpunkt und hatte endgültig die Übersicht verloren.
Kurz darauf lag das Handy wieder auf dem Tisch. Zorn beäugte es misstrauisch und überlegte. Hatte es geklappt? Nun, das ließ sich leicht herausfinden. Er nahm das Festnetztelefon und wählte seine Funknummer.
Ein bisschen Frieden, ein bisschen Träumen!
Verdammt!
Und dass die Men…
Er hieb den Hörer auf die Gabel.
Ich kann dieses hirnlose Gesülze nicht ertragen, jaulte Zorn innerlich auf.
Ein bisschen Frieden!
Wieder ging es los. Zorn glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Machte dieses Ding sich jetzt selbständig? Dann sah er die Nummer auf dem Display: Schröder.
Ein bisschen Träumen!
Dieser Hund ruft nur an, um seinen Triumph zu genießen!
»Pass auf«, blaffte Zorn in den Hörer, »wenn du denkst, du kannst mich fertigmachen, dann hast du dich geschnitten!«
»Wo denkst du hin, Chef«, flötete Schröder. »Ich wollte nur hören, ob du mit dem Bericht vorankommst. Und ich wollte dir mitteilen, dass wir auf dem Turm eine Pistole gefunden haben, mit den Fingerabdrücken des Priesters, es deutet also alles darauf hin, dass …«
»Leck mich.« Zorn kochte vor Wut. Von dem, was Schröder da erzählte, bekam er nur die Hälfte mit. »Du hast dir heute einen Feind gemacht. Und du hast keine Ahnung, wie es ist, mich zum Feind zu haben, du mieser …«
Zorn fehlten die Worte.
»… übergewichtiger Schlumpf?« half Schröder. »So hast du mich jedenfalls vorhin genannt.«
»Leck mich.«
»Ach das bemerktest du berei…«
Zorn unterbrach die Verbindung, öffnete eine Schublade, warf das Handy hinein und schloss sie mit einem Knall. Da kannst du bleiben, bis du verschimmelst, du kannst mich mal, du Scheißteil! Und Schröder auch!
Jetzt ging es ihm besser. Ein bisschen jedenfalls.
*
Im Südflügel des städtischen Krankenhauses liefen die Klimaanlagen auf Hochtouren. Die Nachmittagssonne prallte mit voller Wucht auf die verglaste Fassade, die großen Aluminiumjalousien waren zur Hälfte geschlossen, konnten aber nicht verhindern, dass sich das Gebäude mehr und mehr aufheizte.
Die Intensivstation lag im vierten Stockwerk. Der Flur war blitzblank gewischt und glänzte im Schein der Neonröhren. Es roch nach Desinfektionsmitteln und frischem Kaffee.
Es war still, kein Mensch war zu sehen, bis auf den uniformierten Beamten, der vor Zimmer 403 auf einem Stuhl hockte und in einem roten Taschenbuch (»Grundsätze der Kriminalpraxis«) las.
Wachtmeister Bolldorf war Anfang zwanzig, doch er sah jünger aus. Auf seiner Oberlippe wuchs ein dunkler, kaum sichtbarer Flaum, es würde noch dauern, bis er sich regelmäßig rasieren konnte. Er hatte den obersten Knopf seines Hemds geöffnet, der picklige Hals war durch den Schlips wundgescheuert. Sein größter Traum war, eines Tages bei der Mordkommission arbeiten zu dürfen.
Die große Schiebetür mit der ovalen Milchglasscheibe war halb geöffnet, von drinnen hörte man das Piepsen der Monitore und das eintönige Pumpen eines Beatmungsgeräts.
Pastor Giese lag auf dem Rücken. Sein rechtes, dick verbundenes Bein schwebte in der Luft. Es war an einem Draht fixiert, der von einem unförmigen Metallgestell über dem Bett herabhing. Auch sein Kopf war mit Bandagen umwickelt, im Mundwinkel klebte der Schlauch des Beatmungsgeräts. Schläuche ringelten sich über das Bett, Elektroden überwachten den Herzschlag, eine Kanüle
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